Die Literatur der Exilanten zwischen 1933 und 1945 liefern meiner Meinung nach extrem fesselnde Texte. Das persönlich Erlebte in Romanen wiedergeben, verquickt mit einer Botschaft, die bis heute Bestand hat, ist immer wieder faszinierend. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Romane, Essays oder Gedichte aus der inneren Emigration oder eben aus dem Ausland geschrieben wurden. Die Emotionalität der Werke spricht für sich – von den Manns bis hin zu Bertolt Brecht. In der Büchergilde Gutenberg erschien in den 1980er- und 90er-Jahren die wunderschön bibliophile Bibliothek der Exilliteratur, die wesentliche Texte aufgenommen hat. Ich habe kürzlich Transit von Anna Seghers aus der Reihe im Antiquariat erstanden und war auf der Flucht. Zunächst vor den Häschern des 3. Reiches und nach rund 50 Seiten auch vor dem Roman.
Seghers nimmt uns mit zu einem kleinen italienischen Restaurant. Damit beginnt der Roman, in dem der Ich-Erzähler uns seine Geschichte schildern will. Zunächst haben wir noch die Wahl: Blick zum Pizzabäcker oder Blick nach draußen aufs Meer. Und schon geht es los. Im Plauderton erfahren wir von der Flucht des Erzählers aus einem KZ in Deutschland. Das war 1937. Wir sind dabei, wie er in Frankreich ohne Papiere interniert wird und kurz vor dem Einmarsch der Wehrmacht erneut fliehen kann. Er gelangt nach Paris, trifft dort auf einen toten Schriftsteller, dessen Identität und Koffer er an sich nimmt. Einen Koffer, den niemand haben will. Bei seinen Versuchen sich zu retten und den Koffer loszuwerden landet er in Marseille. Hier tummeln sich die Emigranten, die im Gegensatz zu ihm raus wollen aus Europa. Er fühlt sich aber wohl in Südfrankreich und versucht alles, um hier bleiben zu können. So fristet er sein Dasein zwischen der Beschaffung von Dokumenten und einer Schwärmerei für die Frau des toten Schriftstellers – die er…ach ja….zufällig trifft.
Eigentlich bin ich nie richtig reingekommen in den Roman. Ich dachte zuerst es läge an der Sprache. Der Ich-Erzähler, der sich als Arbeiter ausgibt, verfügt aber über einen angenehm großen Wortschatz und weiß sich auszudrücken. Der Zeit entsprechend natürlich im nüchternen Ton und ohne poetische Ausschmückungen. Das hätte wohl auch nicht gepasst. Nein, die Sprache ist es nicht. Ich glaube mein Problem mit dem Roman entspringt eher der Tatsache, dass Seghers keine wirkliche Geschichte zu erzählen hat. Ihre Charaktere bleiben farblos. An mir zumindest zogen sie vorbei ohne wirklich Eindruck zu hinterlassen. Sie lässt ihren Protagonisten durch Marseille taumeln, wobei er mal hier mal da jemanden trifft, einen Gefallen tut, jemandem hinterhergeht. Das wirkt alles sehr willkürlich. Eine Bindung zum Personentableau entsteht auf diese Weise nicht. Anders zum Beispiel als bei Klaus Mann Der Vulkan, bei dem man mit den Emigranten leidet, fiebert und hofft.
Seghers wirft Schlaglichter auf einzelne Schicksale, lässt sie vor dem Leser erscheinen, um sie dann wieder in der Masse verschwinden zu lassen. Das ist für 70 oder 80 Seiten sehr spannend, wird dann aber immer ermüdender. Ihre expressionistischen Bilder verlangen dabei höchste Aufmerksamkeit vom Leser. Diese erreicht die Autorin aber nicht, da aus Lesersicht einfach eine fesselnde Rahmenhandlung fehlt. Sicherlich keine Lektüre für die Stunde im Bett, bevor man das Licht ausmacht. Mir ist die Leistung von Seghers bewusst und ich weiß auch, in welchem Spannungsfeld der Roman geschrieben wurde. Es ging um eine einheitliche Sprache deutscher kommunistischer Autorinnen und Autoren im Kampf gegen den Nationalsozialismus, der sie sich konsequent verweigerte – auch davon zeugt der Roman. Aber als Leser ist das alles keine Freude. Ich gebe deshalb fünf von zehn Konsulaten.
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