Die „Deutschstunde“ hat Lust gemacht auf mehr. Also begebe ich mich weiter auf eine Reise durch das Werk von Siegfried Lenz und folge dem Editionsplan der bibliophilen Hamburger Ausgabe. Ich starte mit seinem ersten Roman. „Es waren Habichte in der Luft“ ist die Geschichte des Lehrers Stenka, der im russisch-finnischen Grenzgebiet kurz nach dem 1. Weltkrieg in die tödlichen Mühlen der Revolution gerät. Er ist auf der Flucht und muss sich vor seinen Häschern verstecken. Er kommt unter im Blumenladen von Leo. Seine Ruhe währt aber nicht lange und die Schlinge zieht sich immer enger um seinen Hals. Das Erstlingswerk von Lenz hat noch nicht die erzählerische Tiefe, seiner späteren Romane. Überzeugen kann das Werk indes doch. Das liegt vor allem an den klar gezeichneten Personentableau. Alle Charaktere wirken überzeugend. Lenz gibt ihnen Tiefe und verstrickt alle Lebensgeschichten miteinander, bis es zum großen Finale kommt. Der 25jährige Schriftsteller kämpft in „Es waren Habichte in der Luft“ noch um seine Sprache – so wie alle Schriftsteller seiner Generation zu Beginn der 1950er-Jahre. Er entwickelt hier erste Ansätze seiner klaren und nüchternen Ausdrucksweise – ganz im Sinne der Gruppe 47, bei deren Treffen Lenz ein häufiger Gast war. Offensichtlich fiel es ihm leichter dies im Dialog seiner Protagonisten zu entwickeln. Lange erzählende Abschnitte fehlen fast gänzlich. Insgesamt verspricht der Roman kurzweilige Unterhaltung, die Einblicke gibt in die frühe bundesrepublikanische Literatur. Ich gebe acht von zehn Kattunkittel.
berndhinrichs
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