Clemens Meyer war der erste Autor aus der Shortliste zum diesjährigen Deutschen Buchpreis, den ich gelesen habe. Meine Meinung dazu habe ich ja schon geäußert. Jetzt Titel Nummer 2: Markus Thielemann, Von Norden rollt ein Donner. Ob auch er für mich mehr kann, als die Gewinnerin Martina Hefter mit ihrem Roman Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Thielemann lässt uns den 19-jährigen Jannes kennen lernen. Jannes lebt mit seinen Eltern und seinem Großvater auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide. Dort betreibt die Familie eine Schafzucht. Das Leben draußen in der Natur ist hart. Jeden Tag müssen die Tiere raus in die Heide, und dort lauern Gefahren: Der Wolf ist zurück. Außerdem zeigt Jannes Vater Friedrich erste Anzeichen von Demenz, an der schon seine Oma leidet, die in einem Pflegeheim untergebracht ist. Und während Vater und Großvater ihre ganze Energie dem Kampf gegen Isegrim widmen, hat Jannes allein in der Heide Visionen, die ihn auf ein dunkles Geheimnis hinweisen.
Thielemanns Roman ist ein atmosphärisch sehr dichter Text. Das Leben der Heideschäfer wird detailliert erzählt, ohne dass sich der Autor in langweilige Einzelheiten verstrickt. Klingt widersprüchlich? Ist es aber gar nicht. Denn Thielemann verwebt diese Schilderungen sehr gekonnt in seinen Plot. Hier stehen die Visionen und Erscheinungen von Jannes im Vordergrund. Zusammen mit den Beschreibungen der Natur ergibt sich ein düsteres Bild, bei dem der Leser im Hintergrund immer eine leichte Unruhe verspürt. Neben dem Wolf, der sich für die Schäfer immer mehr Existenzbedrohend zeigt, umgibt Jannes Familie ein dunkles Rätsel.
Thielemann ist gerade Anfang dreißig – ein junger Autor. Ich finde es bemerkenswert, mit welcher Beobachtungsgabe er bereits ausgestattet ist. Wie tief sein Text ist. Allerdings wollte er in seiner Geschichte vielleicht ein bisschen viel. Das Auftauchen von Karl Röder, einem neuen Nachbarn mit völkischem Gedankengut, und die in der zweiten Hälfte des Buches zunehmenden Hinweise auf Herman Löhns, dessen völkische und antisemitische Gesinnung kein Geheimnis ist, sind zu viel. Da hat Thielemann interessante Gedanken und Geschichten zu erzählen. Er wollte das unbedingt noch mit einarbeiten. Ich hätte mir hier ein zweites Buch gewünscht, denn völkische Siedler, die sich aufs Land zurückziehen und dort neue Gemeinschaften bilden, gibt einiges her.
Dabei muss ich gestehen, dass es Von Norden rollt ein Donner besonders schwer hatte. Ich hatte vorher das voluminöse Epos Projektoren gelesen. Denn nach so einem Buch muss man eigentlich eine Lesepause machen. Aber das kommt selbstverständlich nicht in Frage.
Unterm Strich ist Von Norden rollt ein Donner ein atmosphärisch dichter Roman mit einer düsteren Grundstimmung. Mir hat besonders die detaillierte Darstellung des Schäferlebens gefallen. Die thematische Überfrachtung ist zwar unnötig aber schadet dem Lesevergnügen nicht. Für mich definitiv interessanter als das Gewinner-Buch des Deutschen Buchpreises, denn Thielemann ist ein Erzähler. Neun von zehn Stecken.
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