
Ich bin ein großer Fan der Büchergilde unterwegs-Reihe. Bei diesen Bänden werden Reiseerzählungen und -berichte gesammelt. Von Oliver Sachs über Francis Scott Fitzgerald bis hin zu Hedwig Dohm – eine illustre Schar an Autorinnen und Autoren. Es ging schon im Automobil durch die USA, nach Galapagos, Russland, durch Südfrankreich oder in die Arktis und über die Anden. Viele schöne Berichte. Aber genauso abwechslungsreich wie die Verfasser und ihre Reiseziele, genauso schwankend ist leider auch das Niveau der Bände. Der neueste Wurf, Das grüne Licht der Steppen, immerhin von der großartigen Brigitte Reimann, führt uns von Berlin über Moskau bis nach Sibirien – wenn man denn die ganze Reise mitmachen würde.
Brigitte Reimann wurde 1933 geboren und war eine der bedeutendsten Schriftstellerin der DDR. Geboren in Burg bei Magdeburg, fand sie schon früh zur Literatur und begann neben ihrem Beruf als Lehrerin zu schreiben. Ihre Werke spiegeln den sozialistischen Idealismus. Berühmt wurde sie mit ihrem Roman Ankunft im Alltag (1961), der zu den frühen Werken der DDR-Ankunftsliteratur zählt und die Hoffnungen einer neuen sozialistischen Generation thematisiert. Doch Reimanns bekanntestes Werk, der unvollendete Roman Franziska Linkerhand, wurde erst posthum veröffentlicht. Hier zeichnete sie ein realistisches Bild der Konflikte zwischen persönlichem Streben und politischen Anforderungen. Brigitte Reimann lebte intensiv, liebte leidenschaftlich und scheute keine Auseinandersetzung – weder in ihrem Privatleben noch in ihrer Kunst. Ihre Tagebücher und Briefe sind Zeugnisse eines unruhigen Geistes, der ständig nach Freiheit und Wahrheit suchte, dabei aber immer wieder an den Realitäten der DDR scheiterte. Ihre offenen, ungeschönten Schilderungen machten sie zur Stimme einer Generation, die zwischen Ideal und Ernüchterung schwankte. Reimann starb mit nur 39 Jahren an Krebs.
Das grüne Licht der Steppen basiert auf ihren Tagebüchern, die sie während einer Reise nach Sibirien führte. In ihnen spiegelt sich die Hoffnung wider. Hoffnung auf eine sozialistische Zukunft. Hoffnung auf eine bessere Welt. Sie berichtet von Projekten und Menschen, die sie unterwegs trifft. Wir lernen viel über die Art, wie Reimann die Welt sieht. Das ist sehr spannend zu lesen und der kleine Band – nur rund 140 Seiten stark – hat hier sicherlich seine besten Seiten. Denn die Autorin verharrt nicht in Bewunderung für die Sowjetunion, sondern wirft einen realistischen gutmeinenden Blick auf den sozialistischen Bruderstaat.
Dennoch – und das ist der Grund, warum ich Brigitte leider alleine weiterreisen lassen musste – der Reisebericht hat extreme Längen. Er zog sich bei aller sprachlichen Finesse der Schriftstellerin wie die Steppen Sibiriens: Von einem Horizont zum anderen, ohne Abwechslung, völlige Ödnis. Ich glaube, ich werde es noch mit einem ihrer beiden Romane versuchen.
Ich gebe fünf von zehn Komsomole.
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