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berndhinrichs

Durchgelesen und Diversität erlebt – Teil 81

Aktualisiert: 8. Juli 2023

Sieben Jahre hat es gedauert. So lange musste ich nach „Straße der Wunder“ auf einen neuen Roman von John Irving warten. Mit „Der letzte Sessellift“ hat der Godfather des Erzählens nun endlich wieder zugeschlagen. 1080 Seiten hat sein neues Werk – wieder einmal voller abstruser Situationen und Charaktere. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Adam. Er erzählt uns sein Leben. Etwa von seiner Mutter, die sich als 18jährige von einem minderjährigen Skischüler schwängern lässt, mit einer Frau zusammenlebt, aber verheiratet ist mit einem Mann, der in Frauenkleidern spazieren geht und sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wird. Oder seine Cousine, die mit einer Frau zusammenlebt, die ihre Orgasmen so rausschreit, dass es meilenweit zu hören ist. „Der letzte Sessellift“ ist eben ein typischer Irving mit Kindern, einer Krankenschwester, liebevollen Menschen, plötzlichen Toden, lebenslanger Freundschaft, viel Familie, noch mehr Liebe und natürlich kleinen Menschen (Irving war mit Günther Grass befreundet und bewundert die Figur des Oskar Matzerath, was auch in seinem früheren Roman Owen Meany herauskommt). Das Einzige, was seinem neuen Roman fehlt sind Bären und ab und zu ein weniger Straffung. Es dürfte kein Zufall sein, dass Irving gerade jetzt einen Roman vorlegt, in dem Diversität und Toleranz im Mittelpunkt stehen. Er lässt seine Helden den Vietnamkrieg und die Reagan-Präsidentschaft erdulden (er, der die tausenden Aids-Toten verschwiegen hat) und lässt sie unter Clinton und Obama Hoffnung schöpfen. Er nimmt uns mit bis hin zu Trump und seinen „Rüpeln“. Mehr als jemals zuvor steht Irving in seinem neuen Werk für das liberale Amerika. Ein Amerika mit schärferen Waffengesetzen und mehr soziale Verantwortung, mit mehr Freiheiten und Diversität. Er spart nicht mit verbalen Fehdehandschuhwürfen gegen die katholische Kirche und räumt dem Thema Sex wieder ausreichend Raum ein. Vielleicht fehlt dem Roman an einigen Stellen ein roter Faden, aber Irving ist ein phantastischer Erzähler. Schade, dass er an zwei entscheidenden Stellen im Buch in den Modus eines Drehbuches wechselt. Das nimmt vielen starken Szenen die Emotionen. Bei Irving ist es keine Schande beim Lesen eine Träne zu verdrücken. Diese Situationen gab es meiner Meinung nach weniger als in seinen anderen Werken. Ich gebe acht von zehn Jeromes.


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