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  • berndhinrichs

Durchgelesen und dunklen Familiengeheimnissen aufgespürt – Teil 125


Schon seit einiger Zeit hatte ich mal wieder Lust einfach auf eine spannende Geschichte. Der Buchdealer meines Vertrauens – glücklicherweise auch Partnerbuchhandlung der Büchergilde Gutenberg – hatte den Roman Kathedralen der argentinischen Schriftstellerin Claudia Piñeiro in der Auslage. Der Klappentext versprach einen Roman, der sich um ein Familiengeheimnis dreht, das ein paar Jahre zurückliegt. Außerdem soll es noch um eine streng religiöse Familie gehen. Das klang alles nach einem spannenden Mystery-Thriller für mich. Prima. Denn mal los. Seit dreißig Jahren glaube ich nicht mehr an Gott so beginnt der Roman.


Carmen, Lía und Ana sind Schwestern, die in Buenos Aires bei ihren religiösen Eltern groß werden. Als Ana, die Jüngste der drei, mit 17 Jahren zerstückelt und verbrannt auf einem Industriehof gefunden wird, bricht die Familie auseinander. Lia zieht sich ins spanische Santiago de Compostela zurück, wo sie eine Buchhandlung aufmacht. Sie bricht den Kontakt zu ihrer Familie komplett ab. Einzig mit ihrem Vater schreibt sie sich weiterhin Briefe, unter der Ansage, dass er ihr nie etwas zu familiären Dingen schreibt. Als nach 30 Jahren erst ihre Schwester Carmen und dann auch noch deren Sohn in ihr Leben treten, wird Anas Tod in die Gegenwart geholt und – ja tatsächlich – dunkle Familiengeheimnisse enthüllt.


Kathedralen klingt inhaltlich nach einem ganz normalen Thriller um ein Familiengeheimnis und fast hätte ich das Buch eher beim Goldmann-Verlag, Bastei Lübbe oder Heyne vermutet. Ursprünglich kam er im deutschsprachigen Raum aber im Unionsverlag auf den Markt und das lässt aufhorchen - ich hatte mir die schöne Ausgabe der Büchergilde Gutenberg besorgt. Piñeiro liefert nämlich alles andere als einen 08/15-Thriller. Verantwortlich dafür ist vor allem ihre Erzählweise. Sie beginnt den Roman aus der Perspektive von Lía, die zunächst im Wesentlichen den äußeren Handlungsrahmen erläutert. In den folgenden Kapiteln kommen dann Carmen, ihr Sohn, ihr Mann, eine Freundin von Ana oder auch der ermittelnde Polizeibeamte zu Wort. Sie alle äußern sich zu Ana, ihrem Leben und ihrem Tod. So kommt immer mehr Licht ins Dunkel und die Puzzelstücke fallen an ihren richtigen Platz.


Claudia Piñeiro gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen Argentiniens. Ihre Bücher sind regelmäßig auf den Bestsellerlisten zu finden und werden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Geboren 1960 in Burzaco, Buenos Aires, studierte sie Wirtschaftswissenschaften. Sie arbeitete als Rechnungsprüferin, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte.


Kathedralen ist ein Buch, das durch die ungewöhnliche Erzählweise zu überzeugen weiß. Vielleicht hätte die argentinische Autorin den Leser noch etwas länger im Unklaren lassen sollen. Dass sie es nicht tat zeigt, dass es ihr nicht vordergründig darum ging eine spannende Geschichte zu erzählen. Piñeiro führt uns die katholisch-argentinische Gesellschaft vor. Sie beschreibt und kritisiert beispielhaft ihre Moralvorstellungen und den Einfluss der Geistlichen. Diese Intention der Autorin tritt so offen zu tage, dass ich mich mit der Einordnung des Romans schwertue. Am Ende würde ich sagen ein philosophisch-sozialkritisch angehauchter Krimi, als Verwirrspiel. Wegen der gegen Ende allzu durchsichtigen Lösung gebe ich acht von zehn Kruzifixen.

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