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berndhinrichs

Durchgelesen und eine Audienz bei Mann gehabt - Teil 107




Neulich habe ich den Podcast „Das literarische Quartett“ vom Deutschlandfunk Kultur gehört. Dort sagte einer der Gäste, dass es nur einen deutschen Schriftsteller geben würde, bei dem tatsächlich jeder Satz säße: Thomas Mann. Oh wie schön, habe ich mich gefreut, da ich gerade mit „Königliche Hoheit“ beginnen wollte. Schnell habe ich jedoch gemerkt, das pointiertes Formulieren und gutes Erzählen zwei völlig unterschiedliche Dinge sein können.


Aber zunächst einmal zum Inhalt des Romans: Wir befinden uns in einem deutschen Herzogtum irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Herrscherfamilie Grimmburg hat das Land finanziell heruntergewirtschaftet. Nach dem Tod des alten Herrschers steht die junge Generation in den Startlöchern: Prinz Albrecht, der Erstgeborene und rechtmäßige Nachfolger ist von kränklicher Natur, sein jüngerer Bruder Klaus Heinrich überaus beliebt beim Volk übernimmt im Wesentlichen sämtliche Repräsentationsaufgaben und dann gibt es noch ihre Schwester Ditlinde. Im Mittelpunkt des Romans steht Klaus Heinrich, der durch verschiedene Lebensabschnitte begleitet wird. Als der Milliardär Spoelmann in das Herzogtum zieht, bringt er seine Tochter Imma mit, in die sich Klaus Heinrich verliebt. Am Ende des Romans heiraten die beiden und die finanziellen Sorgen des Herzogtums sind mit einem Schlag erledigt. Ende des Romans und Friede, Freude, Eierkuchen.



„Königliche Hoheit“ erschien 1909 und war nach den genialen Buddenbooks der Folge-Roman. Von Anfang an merkt der Leser, welches Ziel Thomas Mann verfolgte: Er wollte wieder einen Bestseller schreiben – was ihm übrigens auch gelang. Der Roman verkaufte sich glänzend und passte in die Zeit. Das Publikum stürzte sich auf den Text der von Pomp und Gloria nur so strotzt – das Deutsche Reich war selber noch Monarchie. Anstatt sich aber beispielsweise detailliert in die Charakterisierungen der Haupt- und Nebenfiguren zu stürzen, hält sich Mann lieber mit der akribischen Beschreibung von Ballkleidern und Uniformen auf. Mag für Modeinteressierte eine lohnende Lektüre sein, für den Rest der Menschheit eher langweilig.


Beim Lesen hatte ich immer einen Film vor Augen. In der Rolle von Klaus Heinrich sah ich Karlheinz Böhm, Imma war natürlich Romy Schneider und der weise Finanzminister mit seinem feinen Humor musste von Theo Lingen gespielt werden. Tatsächlich gab es bereits 1953 eine Verfilmung, die ich aber nicht gesehen habe, bisher und auch fortan meiden werde.


„Königliche Hoheit“ ist ein stark formuliertes Buch, dass sich an anspruchsvolle Gala-Leserinnen und -Leser wendet. Es gibt Einblicke in die Welt eines Hofstaates auf dem Niveau von Sonntagnachmittags-Klassikern, wie beispielsweise „Anne Boleyn“ oder „Der Kongress tanzt“. Wer alles, wirklich alles andere was ich bisher vorgeschlagen habe von Thomas Mann gelesen hat, der darf zu diesem Buch greifen. Alle anderen beginnen bitte bei den „Buddenbrooks“, dem „Zauberberg“ oder „Tonio Kröger“. Vier von zehn Stehkragen.

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