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berndhinrichs

Durchgelesen und eine Bibliothek entdeckt – Teil 118




Nicht viel Zeit und trotzdem ein Büchernarr? Dann habe ich einen schönen Tipp: Gustav Flauberts „Bibliomanie“, erschienen in der wundervollen Insel-Bücherei. Ein Buch für die schnelle Nummer. Der winzige Band – das Format ist noch um einiges kleiner als die an sich schon kleinformatigen Bände der Insel-Bücherei – hat nur 68 Seiten, ist aber wundervoll illustriert, steckt voller Liebe zum Buch und zur Leidenschaft des Sammelns.


„Bibliomanie“ erschien erstmals 1836, da war Flaubert gerade einmal 15 Jahre alt. Er schildert die Geschichte des Buchhändlers Giacomo in Barcelona, dessen einzige Leidenschaft die Bücher sind. Er streift durch seine Bibliothek, riecht, befühlt und atmet seine Bücher. Trotz seines jungen Alters wirkt er alt und eigenartig. Er durchstreift die Straßen nur, um seltene Bücher zu suchen, und verbringt die Nächte in seiner Bibliothek. Gerüchte besagen, er sei mit dem Teufel verbunden, nachdem er einst Mönch war. Ironischerweise kann Giacomo kaum lesen, obwohl er Bücher sammelt. Sein Charakter ist stark überzeichnet, vergleichbar mit dem Antihelden Jean-Baptiste Grenouille aus „Das Parfüm“ von Patrick Süßkind. Im Verlauf der Handlung erleidet Giacomo Demütigungen, wird betrogen und von Konkurrenten überboten. Als seine Kontrahenten unter mysteriösen Umständen sterben und einem – Baptisto – die Buchhandlung abbrennt, entsteht ein böser Verdacht beim Leser.


Wenn man den Band deuten will, wären Formulierungen wie, dass die Geschichte die Abgründe der menschlichen Leidenschaft und die Gefahren zeigt, die mit übermäßigem Verlangen verbunden sind. Oder das Flaubert einen kritischen Blick auf die Obsession des Menschen mit materiellen Besitztümern wirft und die Folgen, die daraus entstehen können. Unterm Strich schreibt Flaubert aber in erster Linie eine erstaunlich dichte und fesselnde Geschichte – mit gerade einmal 15 Jahren.


Seine Sprache hat eine nicht zu erwartende Intensität. Dem französischen Schriftsteller gelingt es düstere Bilder zu entwerfen, die der Graphiker Burkhard Neie in passendem Strich sichtbar werden lässt. Neie dürfte dem einen oder anderen bekannt sein als Illustrator in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Als Zugabe hat die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken noch ein paar interessante Gedanken zum Werk im Nachwort formuliert.


Der kleine Hosentaschenband eignet sich perfekt als Ostergeschenk oder einfach mal so, für zwischendurch. Ich gebe acht von zehn Goldschnitte.


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