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Durchgelesen und einen Kanal gebaut – Teil 188

  • berndhinrichs
  • 17. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

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Sommerzeit ist für mich Lesezeit. Egal ob im Garten oder am Wasser – ein Buch gehört für mich genauso dazu wie eine leichte Brise und Möwengeschrei. Aber so sehr ich es genieße, in Geschichten abzutauchen und mich vor allem im Sommer auch gerne mal leichter unterhalten lasse, so wenig will ich mich mit literarischem Fast Food abspeisen lassen. Auch ein Schmöker darf mich gern fordern, überraschen und sprachlich etwas bieten. Schließlich ist die Zeit, die man einem Buch schenkt, zu kostbar, um sie mit Mittelmaß zu verschwenden. Von Cristina Henríquez’ Roman Der große Riss hatte ich schon viel gehört – vielleicht ein Beleg, dass anspruchsvolle Unterhaltung alles andere als langweilig sein muss?


Der große Riss spielt um das Jahr 1907 – vor dem Hintergrund des Baus des Panamakanals. Ein Werk, das den historischen Bau des Panamakanals nicht nur als gewaltiges Ingenieursprojekt, sondern vor allem als Mosaik menschlicher Schicksale erzählt. Da wäre beispielsweise der Fischer Francisco, der vor allem die Präsenz der USA fürchtet. Oder Omar, sein Sohn, der eine Stelle bei den Bauarbeiten annimmt und deshalb den Bruch mit dem Vater heraufbeschwört. Ada, eine 16-jährige Jugendliche aus Barbados, reist heimlich nach Panama, um Geld für eine Operation ihrer kranken Schwester zu finanzieren. Sie begegnet Omar, beide verlieben sich ineinander. John Oswald, ein Malariaforscher, will die Tropenkrankheit bekämpfen. Seine Frau Marian darf nicht als Botanikerin arbeitet – sie ist eine Frau und hat andere Aufgaben zu erfüllen. Ironie des Schicksals: Sie erkrankt später selbst an Malaria und Ada wird ihre Pflegerin. Dazu kommen noch viele weitere Figuren mit ihren kleinen und großen Geschichten, wie Händler, Wahrsagerinnen oder Journalistinnen.


Das Personentableau des Romans ist gewaltig. Henríquez wirft viele Erzählfäden aus und verbindet sie im Laufe ihres Textes immer mehr miteinander. Das macht Spaß zu lesen. Ihre Sprache ist nicht sehr schwierig. Auch bei störenden Nebengeräuschen, wie spielende Kinder oder laute Unterhaltung am Nebentisch, kann der Gang der Erzählung leicht weiterverfolgt werden. Die Komplexität des Romans gibt dem Leser aber das gute Gefühl, nicht nur billigen Schund zu konsumieren, sondern eine gut durchdachte Geschichte.


Dazu trägt vor allem die Parallelität der Erzählung zu unserer Gesellschaft bei: Rassismus, kapitalistisches Ausbeutertum oder eine Umweltzerstörung, die so umfassend ist, dass sie die Lebensgrundlage vernichtet, sind auch Themen, die 2025 in Europa von großer Bedeutung sind. Henríquez beleuchtet den Bau des Panamakanals und welche Sozialsysteme und -strukturen dieser epochale Bau nach sich zieht. Dabei hält sie unserer modernen Gesellschaft den Spiegel vor.


Das sie auf der Zielgerade des Romans den Kampf auf dem Grat – hier der Anspruch da der Kitsch – mitunter verliert und zu sehr ins Klischeehafte abrutscht: geschenkt. In seiner Gesamtheit ist der Roman mehr als fesselnd und mit Niveau. Ich gebe acht von zehn Spitzhacken und lege ihm jedem Buchbegeisterten in die Strandtasche.

 
 
 

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