Durchgelesen und im Exil gemalt - Teil 203
- berndhinrichs
- 30. Nov.
- 2 Min. Lesezeit

Künstler im 3. Reich – ein weiterhin faszinierendes Thema
Die Geschichte von Künstlern im 3. Reich, ob nun im Exil, im Land aber stumm oder kooperierend, finde ich nach wie vor spannend. Von Klaus Manns Mephisto über die Werke von Florian Illies bis hin zum lyrischen Werk von Ernst Bertram: hinter jeder Person steht eine spannende Geschichte. Deshalb war ich besonders neugierig auf den Roman Trio mit Tiger von Marianne Ludes; bei C. Bertelsmann erschienen, widmet sich die Autorin dem deutschen Maler der Moderne Max Beckmann – gefeiert von der Welt, verpönt und verfolgt im Deutschen Reich.
Exil in Amsterdam: ein Leben zwischen Angst und Organisation
Der Roman schildert wie Max Beckmann und seine Frau Mathilde „Quappi“ Beckmann in Amsterdam des Jahres 1942 leben. Sie sind bereits seit Jahren im Exil — nachdem der Maler von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Während Max mit der Unsicherheit seiner Lage ringt — die Beschneidung seiner Freiheit, die ständige Angst vor Zugriff und Verlust — hält Quappi mit Organisationstalent und Zuversicht das Umfeld im Lot. In diese fragile Ordnung tritt der Kunsthistoriker Erhard Göpel: im Dienst des „Sonderauftrags Linz“ soll er Werke für ein geplantes Kunstmuseum der NS-Diktatur zusammentragen, zugleich aber als Bewunderer Beckmanns agieren. Quappi weiß nicht, ob diesem scheinbaren Helfer zu trauen ist. Aus diesem Zweifel erwächst ein Misstrauen, dass sich immer tiefer in die Dreiergruppe einfrisst. Die Erzählung entfaltet sich aus verschiedenen Perspektiven: Quappis Blick auf Ehe, Kunst und Exil, Göpels Zwiespalt zwischen Bewunderung und Verstrickung. Parallel dazu wächst die Bedrohung für Juden, Künstler und Andersdenkende — und das Paar Beckmann wird zum Zeugen, zum Akteur, zum Überlebenden.
Zwei Erzählstränge – Tagebuch und Handlung
Der Roman ist deutlich in zwei Erzählstränge aufgeteilt. Die Einsichten von Quappi werden in Tagebucheinträgen wiedergegeben. Hier konnte sich Ludes auf die Original-Tagebücher beziehen, die sie erstmals für ihren Roman durchsehen durfte. Freilich hat sie die Einträge bearbeitet und aus dramaturgischen Gründen auch die Reihenfolge von Ereignissen geändert. Das gehört dazu, um eine Geschichte lesenswert zu machen. Der andere Erzählstrang befasst sich mit Göpel und begleitet ihn auf seinen Reisen, Verhandlungen und Besuchen. Beides zusammengenommen entwirft ein vielschichtiges Bild auf die handelnden Personen.
Stärken und Schwächen: Was trägt die Erzählung?
Ich fand zwar, dass ein teil der Tagebucheinträge von Ludes den Roman in die Länge zogen, was vor allem für die ersten Seiten gilt. Aber vielleicht ist es auch meinem historischen Kontext geschuldet, dass ich vor allem an der Person Göpel interessiert war. Sie ist es vor allem, die den Roman lesenswert macht. Seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus, sein Balanceakt zwischen dem Retten von Verfolgten Juden und dem rigorosen Anwerben von Beutekunst. Eine wirklich spannende Figur und der Autorin gelingt es, diese Widersprüche spannend darzustellen.
Fazit: Ein Roman über Ambivalenzen
Am Ende bleibt Trio mit Tiger für mich vor allem ein Roman über Ambivalenzen: über Menschen, die in einem zerstörerischen System ihre eigenen Kompromisse suchen, über Kunst, die zugleich Zuflucht und Ware wird, und über die Frage, wie viel moralische Beweglichkeit ein Mensch erträgt, bevor er sich selbst verliert. Ludes gelingt dabei kein makellos rundes, aber ein aufrichtiges und vielschichtiges Porträt einer Zeit, in der jede Entscheidung eine Konsequenz hatte — für die Kunst, für das Leben, für die eigene Haltung. Gerade deshalb lohnt sich die Lektüre. Neun von zehn Frauenbildern.



Kommentare