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Durchgelesen und einen Klassiker neu entdeckt – Teil 174

  • berndhinrichs
  • vor 24 Minuten
  • 2 Min. Lesezeit



Als Kind war ich fasziniert von der Verfilmung Die Zeitmaschine mit Rod Taylor – ein Abenteuer voller seltsamer Wesen und einer coolen Maschine, die durch die Zeit reist. Was ich damals nicht ahnte: Wie viel mehr in der literarischen Vorlage steckt. Erst Jahre später, im Rahmen eines Referats, habe ich den Roman von H.G. Wells gelesen – und war überrascht, wie tiefgründig, gesellschaftskritisch und philosophisch die Geschichte eigentlich ist. Seitdem hat mich dieser Klassiker nicht mehr losgelassen.


Der Roman beginnt im viktorianischen England, wo ein namenloser Zeitreisender einer Runde von Freunden seine neueste Erfindung präsentiert: eine Maschine, mit der er sich durch die Zeit bewegen kann. Kurz darauf reist er in eine ferne Zukunft – rund 800.000 Jahre nach vorn – und trifft dort auf zwei seltsam gegensätzliche Spezies: die oberirdisch lebenden, kindlich-naiven Eloi und die unterirdisch hausenden, furchteinflößenden Morlocken. Zunächst scheint die Zukunft friedlich und utopisch. Doch schnell erkennt der Zeitreisende, dass hinter der Idylle eine düstere Wahrheit steckt: Die Morlocken sind die eigentlichen Herrscher dieser Welt und halten die Eloi als eine Art „Nutzmenschen“. In dieser bizarren Zukunftsversion spiegeln sich letztlich die sozialen Ungleichheiten der eigenen Gegenwart – nur radikal weitergedacht.


Wells’ Die Zeitmaschine ist weit mehr als nur Science-Fiction. Es ist ein sozialkritischer Roman, der sich seiner Zeit mutig entgegenstellt. Besonders beeindruckt hat mich, wie er mit den sozialistischen Aspekten der Geschichte spielt. Die Welt der Eloi und Morlocken ist kein bloßes Zukunftsszenario, sondern eine Allegorie auf die soziale Spaltung der Gesellschaft: Die Eloi – als Symbol für die degenerierte, verwöhnte Oberschicht – haben alles verloren, was sie einst stark machte. Die Morlocken – einst unterdrückt – sind nun die eigentlichen Machthaber, leben im Dunkeln, arbeiten im Verborgenen, ernähren sich aber letztlich von denen, die sie einst dienten.


Dass Wells mit diesen Bildern auf eine mögliche Folge des entfesselten Kapitalismus hinweist, zeigt seine Nähe zu sozialistischen Ideen. Er warnt davor, was geschehen kann, wenn sich Ausbeutung und Klassenunterschiede über Jahrtausende fortsetzen – und letztlich in die biologische Degeneration und moralische Leere führen. Seine politischen Ideen entwickelte Wells nicht zuletzt in der Fabian Society, deren Mitglied er war.

Trotz seiner Kürze ist der Roman enorm dicht und wirkt auch heute noch erstaunlich modern. Wells gelingt es, Spannung, Fantasie und Gesellschaftsanalyse zu verbinden – ohne je belehrend zu wirken. Sein Blick in die Zukunft ist düster, aber nicht hoffnungslos. Für mich ist Die Zeitmaschine ein Buch, das man gelesen haben muss – nicht nur wegen seines ikonischen Status im Genre der Science-Fiction, sondern weil es uns bis heute etwas über unsere Gesellschaft, unsere Geschichte und unsere Zukunft erzählt.


Satte zehn von zehn Monsterkrabben.

 
 
 

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