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berndhinrichs

Durchgelesen und einen kleinen poetischen Text entdeckt – Teil 108




„So viel Zeit habe ich nicht!“ oder „Ich wüsste gar nicht, wann ich das alles lesen soll!“: Das sind nur zwei von den Sätzen, die ich oft zu hören bekomme. Für die Lesewilligen ohne Zeit habe ich jetzt den entsprechenden Tipp: Jaume Cabré „Claudi“ aus der Inselbücherei. Der Band hat lediglich 45 Seiten – 45 Seiten voller Poesie und sehr schönen Bildern. Illustriert wurde er von Jörg Hülsmann – ein schmuckes Bändchen, dass wirklich jeder lesen können sollte.

 

Worum es geht: Claudi wohnt mit Herminia zusammen und wir dürfen ihrem Umgang miteinander getrost entnehmen, dass dies schon seit vielen Jahren der Fall ist. Als seine Frau eines Vormittags die gemeinsame Wohnung verlässt, nimmt Claudi es gar nicht richtig zur Kenntnis und wundert sich nur, dass er plötzlich allein ist. Er betrachtet ein Bild in der gemeinsamen Wohnung und versinkt in der Darstellung der Bäuerin. So gelangt er immer tiefer in den Sog des Gemäldes. Oder ist es doch Realität?


Jaume Cabré entführt uns in eine Traumwelt, aus der der Leser immer mal wieder auf die Realität guckt und eigentlich nie ganz genau weiß, auf welcher Seite er gerade steht. „Entführt“ ist in diesem Fall genau das richtige Wort, denn der Katalane liefert einen Text, bei dem er uns mitnimmt. Er holt uns raus aus unserem Alltag, so wie seinen Helden und entführt uns im wahrsten Sinne des Wortes in die Welt, die auf einem Gemälde zu finden ist. Cabré ist ein Meister darin. Schon in seinen umfangreichen, großen Romanen „Die Stimmen des Flusses“ oder „Das Schweigen des Sammlers“ hat er gezeigt, dass er fesselnde, intelligente und zugleich poetische Texte liefern kann. „Claudi“ ist bei aller Kürze ein weiteres Beispiel.

 

Die Illustrationen von Hülsmann fügen sich gut in den Text von Cabré ein. Hülsmann ist seit vielen Jahren als Illustrator tätig und arbeitet mit Verlagen wie S. Fischer, Suhrkamp Insel oder die Büchergilde Gutenberg zusammen. Außerdem sind seine Zeichnungen im Mare-Magazin oder der Frankfurter Rundschau zu sehen. Die durchgängig in gelben Tönen gehaltenen Illustrationen vermitteln die Behaglichkeit, die der Text des Spaniers braucht.

 


„Claudi“ ist ein feiner Band aus der Insel-Bücherei, der auch optisch eine Menge hermacht. Vielleicht wäre er mal eine Abwechslung statt Blumen oder Pralinen, wenn ein kleines Mitbringsel hermuss. Oder aber für diejenigen, die gerne mal wieder ein Buch lesen möchten, aber über zu wenig Zeit verfügen. Ich gebe neun von zehn Bäuerinnen

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