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Durchgelesen und Frauen unterdrückt – Teil 177

  • berndhinrichs
  • 18. Mai
  • 2 Min. Lesezeit



Wenn Ende des Jahres es wieder spannend wird im internationalen Literaturbetrieb und aus Stockholm der nächste Literaturnobelpreisträger genannt wird, darf im Vorfeld wieder wild spekuliert werden: Wird es diese Mal Salman Rushdie oder Haruki Murakami? Eine Frau, deren Namen dabei auch immer wieder fällt ist Magarete Atwood. Nach der Lektüre von Der Report der Magd hätte die 85-jährige Kanadierin ihn in jedem Fall verdient.


Der Roman beschreibt eine düstere, nicht allzu fernen Zukunft, in der aus den USA der religiös-fundamentalistische Staat Gilead geworden ist. Frauen haben dort keine Rechte mehr – sie sind Eigentum des Staates und auf bestimmte Rollen reduziert: Ehefrauen, Haushälterinnen oder Mägde. Letztere dienen nur einem Zweck: Kinder gebären. Desfred, die Erzählerin, ist eine solche Magd. Sie schildert ihr Leben im Haus eines Kommandanten – ein Leben geprägt von Kontrolle, Zwang und Angst, aber auch von Erinnerungen an „davor“: an ihre Tochter, ihre Freiheit und ihre Hoffnung. Bewegung kommt in ihr Leben, als sie von geheimen Widerstandsgruppen erfährt. Gleichzeitig beginnt ihr Kommandant mit ihr Scrabble zu spielen und ein erotisches Verhältnis aufzubauen. Um das Chaos perfekt zu machen bitte die Ehefrau des Kommandanten darum, dass sie sich vom Chauffeur schwängern lassen soll, da es ihr Ehemann ja offensichtlich nicht schafft.


Atwood legt uns den persönlichen Report einer Frau vor, die in der Unterdrückung lebt. Entsprechend eines Reports schildert sie nicht, sondern stellt sachlich da. Ihre Sprache ist klar und einfach. Das ist besonders irritierend, wenn sie über die Szenen berichtet, in der der Kommandant sie schwängern soll. Klar und einfach. Keine Spur von Erotik oder Romantik. Atwood entwirft eine Zukunft, die so erschreckend real wirkt, dass es fast wehtut. Sie schreibt nüchtern und klar, fast kalt – und gerade deshalb kriecht die Geschichte unter die Haut. Jedes Wort sitzt, jede Szene trägt diese bedrückende Mischung aus Hoffnungslosigkeit und stillem Widerstand.


Die Stärke des Buches liegt unter anderem in der Charakterisierung von Desfred. Vor Gilead eine strake, selbstbewusste Frau. Atwood schafft es schlüssig und logisch nachzuzeichnen, wie sich ihre Protagonistin in einem religiös-fundamentalistischen Staat zurechtfinden würde. Wo sie aneckt und wie sie sich kleine Freiheiten erkauft. Obwohl die Welt von Gilead grausam ist, verliert Atwood nie den Blick für die Zwischentöne. Für die kleinen Akte der Rebellion. Für die Sehnsucht nach Freiheit, die nicht einmal durch Folter oder Indoktrination ausgelöscht werden kann.


Noch ein Wort zur Ausgabe: Meine stammt aus von der Büchergilde Guttenberg. Jemand in meinem Umfeld sagte mir, dass sie so besonders gestaltete Bücher nicht lesen könne. Das Gegenteil ist der Fall bei mir. Es macht einfach Spaß das Buch in die Hand zu nehmen, mit dem hochwertigen Papier und dem feinen Schriftbild. Eine absolute Besonderheit ist der offene Buchrücken, so dass sich der Leser die feine Bindung anschauen kann. Ganz besonders und wunderschön. Die zehn von zehn rote Capes gibt es aber für den Inhalt.

 
 
 

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