Ein Foto der neuen Lektüre zusammen mit einem Bild von Hans Albers? Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Bereits im Erscheinungsjahr (1957) wurden die Filmrechte für „Der Mann im Strom“ verkauft. In der Hauptrolle Hans Albers. Es gibt mittlerweile auch eine Neuverfilmung mit Jan Fedder, aber beim Lesen des Buches sah ich Albers vor mir. Der Hauptcharakter ist ihm auf den Leib geschnitten: wortkarg, rau, weicher Kern, mit einer Melancholie und Pathos in Geste und Sprache, die zu Tränen rührt. Albers war auf diesen Typ festgelegt. Erzählt wird die Geschichte des Tauchers Hinrichs, der nach dem Krieg im Hamburger Hafen als Bergungstaucher einen Job finden will. Den Firmen ist er aber zu alt. Um mit seinen Kindern, Timm und Lena, über die Runden zu kommen, fälscht er sein Geburtsdatum in seinen Papieren. So kann es losgehen mit dem Wrackbergen. Er freundet sich mit einem Hünen an: Kuddel. Auch so ein Typ: Gutmütig bis in die Haarspitzen. Kuddel spricht nicht viel, aber was er sagt, hat ein solches Gewicht, dass jeder Angesprochene ohne zusätzliche Gewichte in der Elbe untergehen würde. Beide müssen mit ansehen, wie Lena eine Affäre mit Manfred dem Kleinganoven hat, aber schon nach kurzer Zeit schwanger, reumütig und als braves Töchterchen nach Hause kommt. Und die ganze Zeit hängt die Dokumentenfälschung wie das Schwert des Damokles über den handelnden Personen. Ein Stoff wie aus einem Ufa-Film der 1930er- und 1940er-Jahre – als Roman. Sprachlich ist Lenz fast angekommen, wo wir ihn aus „Deutschstunde“ kennen. Sachlich und unpathetisch bewegt er sich in seiner Geschichte fort, die vor Pathos nur so strotzt. Das allein lohnt schon die Lektüre. Der Plot des Romans scheint mir etwas rückwärtig, was man Lenz auch stets vorgeworfen hat. Dennoch: Die Kraft der Sprache macht das Buch zu einem Lesevergnügen. Nachdem ich jetzt das Buch zugeklappt habe, freue mich darauf einen mir bisher noch nicht bekannten Film von Hans Albers anzusehen. Ich gebe acht von zehn leichte Schläge auf den Tauchhelm.
berndhinrichs
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