Meine letzte Goethe-Lektüre datiert aus meiner Schulzeit. In positiver Erinnerung ist mir all die Jahre „Die Wahlverwandtschaften“ geblieben. Ich konnte mich noch sehr gut an eine Vierer-Konstellation, eine Liebesgeschichte und viel Gartenarbeit erinnern. Und schon lange wollte ich den Roman noch einmal lesen. Ich kann festhalten: Die Konstellation Eduard, Charlotte, Ottilie und der Hauptmann ist auch abseits des Schulbetriebes fesselnd. Goethe stellt seinen Protagonisten Eduard vor die schwierige Wahl zwischen Verantwortung und Leidenschaft. Naturgemäß – das Buch erschien 1809 – ist in dem Werk aus heutiger Sicht vieles dick aufgetragen, bis zur Lächerlichkeit überspitzt dargestellt. Und genau da liegt auch ein Schlüssel für den modernen Leser – im Humor. Zwar sind die Ereignisse, die der Dichterfürst uns schildert, hoch dramatisch, doch vieles amüsiert auch. Etwa wenn Eduard den soundsovielten hochemotionalen Versuch unternimmt, Ottilie für sich zu gewinnen. Oder wenn er mit dem Hauptmann die Absprache trifft, wann er sich scheiden lässt, damit sein Freund seine Frau heiraten kann – aus heutiger Sicht ein fragwürdiger Beitrag zum Thema Gleichberechtigung oder doch ein moderner Beitrag zum Thema Partnertausch? Dabei alles in wundervoller Sprache verfasst, die – das muss klar sein – vom Leser alles abverlangt. Denn nicht jede Wendung ist geläufig, nicht jedes Wort bekannt. Goethes Wahlverwandtschaften ist – trotz vorhandener Längen – eine schöne und dankenswerte Möglichkeit, Zugang zum Werk des wohl bekanntesten deutschen Dichters zu erhalten. Ich gebe neun von zehn Gartenscheren
berndhinrichs
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