Nach dem dicken Wälzer „Heimatmuseum“ kommt mir die 240-Seiten-Erzählung „Der Verlust“ geradezu mickrig vor. In ihr bringt uns das „Hätschelkind der Buchhändlerinnen“, so Hellmuth Karasek über Siegfried Lenz, den Hamburger Stadtführer Uli Martens näher. Dieser erleidet während einer Tour mit Touristen einen Schlaganfall oder Hirnschlag – das wird nicht so ganz klar und verliert dabei seine Sprache. Nun muss er das komplizierte Verhältnis zu seiner Freundin Nora klären, was dadurch erschwert wird, dass die Bibliothekarin (!!!) gar nicht genau weiß, was sie will. Um diese Geschichte hat er ein kleines Personenpotpourri gestrickt: Noras Nachbarin Frau Grant, die Schulrektorin, Dr. Nicolai, der behandelnde Arzt und Ulis Bruder, zu dem er ein gestörtes Verhältnis hat. Ich hatte den Eindruck, Lenz ging es ähnlich wie mir. Nach den bewegenden und mitreißenden Erlebnissen im Heimatmuseum brauchen wir etwas Ruhe. Nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, stellte ich mir die Frage: Ja und, Siegfried? Was soll das ganze jetzt? Eine passende Antwort habe ich bis jetzt nicht erhalten. „Der Verlust“ ist ein Buch, das mich ratlos zurücklässt. Was Lenz auch hier auszeichnet, ist seine Beobachtungsgabe und dann auch das Wahrgenommene detailliert zu beschreiben. Das kann er wundervoll. In diesem Sinne entschleunigt das Buch auf wundervolle Art und Weise. Ich habe auch Anteil genommen am Schicksal von Martens, allerdings nicht in dem Maße, wie er es vermutlich verdient hat. Aber gut, ich denke, Siegfried und ich waren zunächst noch damit beschäftigt die Wunden aus dem Heimatmuseum zu lecken. Ich gebe sechs von zehn Lauten.
berndhinrichs
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