Seit 1999 steht diese wunderschöne Ausgabe von B. Traven bei mir im Regal. „Das Totenschiff“. Ein Buch, dass mich auch in meiner Kindheit begleitet hat, denn es stand im Bücherregal meines älteren Bruders. Zwischen einer abgegriffenen Taschenbuchausgabe von „Die Schatzinsel“ und Nicholas Monsarrats „Grausamer Atlantik“. Vor allem die örtliche Nähe im Regal zu Stevensons Werk führte dazu, dass Travens Roman für mich immer Jugendliteratur war – was für ein Irrglaube, zumal ja auch Monsarrat nicht gerade in Kinderhände gehört. Traven, ein Pseudonym, hinter dem sich höchstwahrscheinlich der deutsche Gewerkschaftler und Arbeiter Otto Feige verbirgt, hat 1926 in der Büchergilde Gutenberg seinen Roman über einen amerikanischen Seemann veröffentlicht. Erzählt wird die Geschichte des vielbefahrenen Mannes, der in Antwerpen sein Schiff verpasst. Damit hat er nicht nur seine Arbeitsstelle als Deckarbeiter, sondern auch alle seine Papiere verloren. Da er seine amerikanische Herkunft nicht beweisen kann, wird er staatenlos und zwischen den einzelnen europäischen Staaten immer hin und her geschoben. Seine einzige Chance ist das Totenschiff „Yorikke“, ein Kahn, der ausschließlich Seeleute ohne Papiere beherbergt. Traven alias Feige war Kommunist und Anarchist, der in seinem Roman seine Theorien und Ansichten darlegt. Er stellt die unmenschlichen Arbeitsbedingungen da, entblößt den Kapitalismus als menschenverachtend und fragt nach dem Sinn von Staatengebilden. Sein Ton ist schnodderig und durchsetzt von seemännischen Ausdrücken. Das faszinierende an dem Roman war für mich seine Aktualität. Denn aktuell wird wieder viel diskutiert über die die Auswirkungen unseres kapitalistischen Systems. Wer seine Segel setzen will um vielleicht mal einen neuen Kurs einzuschlagen oder auf seiner politischen Karte neue Fixpunkte braucht, der möge auf dem Totenschiff anheuern. Ich gebe acht von zehn Kohlenzieher.
berndhinrichs
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