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Durchgelesen und in der Psychiatrie gewesen – Teil 176

  • berndhinrichs
  • vor 26 Minuten
  • 2 Min. Lesezeit

Das Thema Psychiatrie lässt mich, einmal gepackt, kaum los. Geschichten, die in diesem Umfeld spielen, haben seit einiger Zeit öfters den Weg in meinen Bücherstapel gefunden. Vielleicht, weil dieser Ort wie kaum ein anderer unsere Vorstellungen von Normalität und Abweichung herausfordert. In der Psychiatrie prallen Welten aufeinander: Schmerz und Hoffnung, Stille und Chaos, Rückzug und Neubeginn. Umso gespannter war ich auf den neuen Roman Gespensterfische von Svealena Kutschke.


Der Roman ist in einer psychiatrischen Klinik in Lübeck angesiedelt. Kutschke blickt zurück auf das Personal und die Patienten. Dabei taucht sie tief in die Vergangenheit ein. Ihre Geschichten beginnen in den 1930er-Jahren und schauen in zehn Jahresschritten auf die Klinik. Dabei geht sie nicht chronologisch vor, sondern springt zwischen den Jahrzehnten und den Personen hin und her. Wir lernen beispielsweise Olga Rehfeld kennen, die als junge Frau eine talentierte Schriftstellerin war, dann den damaligen Klinikarzt heiratete und als Insassin krank medikamentiert endete. Oder Laura, die sich auf eine Recherchereise zum Euthanasieprogramm in der Klinik begibt.    


Es gibt natürlicherweise kein mögliches Ende für ihre Arbeit lässt die Autorin ganz am Ende einen Arzt zu Laura sagen. Ein Satz, der auch für das Buch stehen kann. Denn es sind Momentaufnahmen, mit denen Kutschke ihre Geschichte erzählt. Sie blickt nie zu lange auf eine Person. Springt zur nächsten, kehrt zurück und hält so den Spannungsbogen aufrecht. Kutschke wird im Feuilleton dafür gefeiert, dass sie mit jedem neuen Buch tiefer in die Risse unserer Gegenwart vordringe. Sie habe sich als präzise Beobachterin gesellschaftlicher Bruchlinien und innerer Umwälzungen etabliert Da bildet Gespensterfische keine Ausnahme. Sie ist dran an den Themen Verdrängung und Leugnung, Verlust und Familie.

Kutschke schreibt mit einer Sprache, die nie auf bloße Wirkung zielt, sondern auf Wahrhaftigkeit. Das ist es, was ich von einem guten Roman erwarte. Hätte mich nicht schon der Plot gefangen, so wäre ich über die Sprache in den Roman gekommen. Es ist ein Genuss Kutschke beim Fabulieren zu folgen. Sie reißt einen mit.


Gespensterfische ist für mich eine echte Überraschung. Ich hatte nur eine Ankündigung zu einer Lesung gesehen und bin so auf das Buch gestoßen. Kutschke zaubert ein Personentableau aus dem Hut, das mich schier sprachlos vor Freude zurücklässt. Zehn von zehn Citaloprams.

 
 
 

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