Als ich mit Seit er sein Leben mit einem Tier teilt von Bodo Kirchhoff unterm Arm zur Kasse ging, sah ich für einen Moment ein Zucken im Gesicht meines Buchhändlers. Nanu, mögen sie kein Kirchhoff? Er zieht die Augenbrauen hoch. Da geht es bestimmt wieder um Frauen und der Protagonist hat Probleme mit ihnen. Bei Kirchhoff haben sie immer Probleme mit Frauen. Leichtes Augenrollen. Ein Blick auf den Klappentext. Es geht um Frauen. Ich bin gespannt.
Kirchhoff lässt uns teilhaben an ein paar Tagen im Leben von L.A. Schongauer. Der deutsche Schauspieler, der in Hollywood immer Nazis in der zweiten oder dritten Reihe gespielt hat, lebt zurückgezogen wie ein Einsiedler am Gardasee. Nachdem seine Frau bei einem Badeunfall in Dakar starb, hat er sich hier auf sein Haus mit Grundstück am Hang zurückgezogen. Einzig seine Hündin Ascha teilt sein Leben. Bis zu dem Tag, an dem Frida, eine 25jährige Reisebloggerin, sich auf seiner Auffahrt festfährt mit ihrem Wohnmobil. Zu allem Überfluss hat sich für den nächsten Tag auch noch Almut, eine Journalistin angekündigt, um über ihn ein Porträt zu schreiben. So gerät Schongauers Leben innerhalb weniger Stunden aus den Fugen. Frida hat ein Problem mit ihrer Mutter und Almut hat eine Ehekrise und Schongauer weiß nicht so recht, was er von der Endvierzigerin will. Eine Affäre? Ein Flirt? Eine Liebe? Und was ist mit Frida? Er könnte ihr Großvater sein und ist dennoch fasziniert von ihr. So treibt der ehemalige Schauspieler die kommenden Tage durchs Leben, mit einer Frau, die seine Tochter sein könnte, und einer, die seine Enkelin sein könnte.
So ganz falsch lag der Buchdealer meines Vertrauens nicht mit seiner Vermutung. Schongauer hat ein Problem mit Frauen und das nicht zu knapp. Aber es sind nicht die Frauen, die hier im Mittelpunkt stehen und es ist nicht einmal das titelgebende Tier. Es ist Schongauer selbst. Und nach den gut 380 Seiten habe ich zwar eine Menge aus seinem Leben erfahren, ganz verstanden habe ich ihn aber nicht. Kirchhoff verwebt die Erlebnisse Schongauers mit Almut und Frida und wirft dabei immer einen Blick auf seine Vergangenheit, seine Geheimnisse.
Der deutsche Autor zeigt uns in Seit er sein Leben mit einem Tier teilt warum er zu den besten seines Fachs gehört. Es ist einerseits seine Sprache. Kirchhoff jongliert mit den Worten. Sätze, die beginnen, kann der Leser für sich nicht im Kopf beenden. Seine Sprache ist immer das Stück überraschend, dass der Leser sich nicht in einem zu erwartenden Wortfluss baden kann, sondern hellwach sein muss – Wort für Wort, Satz für Satz. Andererseits ist es seine Fähigkeit Szenen und Orte zu beschreiben. Es ist beeindruckend, wie tief Kirchhoff den Leser in seine Bilder ziehen kann. Ich habe die Sommerhitze am Mittag gespürt, wie sie sich an den Hängen des Gardasees staut. Ich habe die Grillen gehört, die nächtliche Abkühlung genossen und den Wein auf der Terrasse geschmeckt.
Kirchhoff legt seinen Roman wie ein Kammerspiel an. Im Wesentlichen verlassen alle Personen sein Grundstück nicht. Da ist ein Bootsausflug, eine Fahrt im Wohnmobil und der eine oder andere Spaziergang. Aber sonst gibt es nur das Personentableau, bestehend insgesamt aus Schongauer, den zwei Frauen, einem albanischen Mechaniker und der Mutter von Frida. Apropos: Mit dieser Person hat Kirchhoff eine schillernde, Alkohol genießende Fernsehmoderatorin geschaffen. Ihr kurzer Auftritt gegen Ende des Romans hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ihre Penetranz und Oberflächlichkeit hat der Autor grandios geschildert.
Ich wollte Seit er sein Leben mit einem Tier teilt eigentlich gar nicht kaufen. Denn ich habe keinen Hund und so wie es aussieht, werde ich mir auch nie einen zulegen. Ein Roman über einen alten Mann mit Hund fand ich da eher semiinteressant. Mit Schongauers Ascha war ich aber gerne zusammen. War eine schöne Zeit am Gardasee. Ich gebe acht von zehn toten Pferden.
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