Was für einen genialen Plot legt uns Siegfried Lenz 1963 in seinem Roman „Stadtgespräch“ vor. Lenz führt uns wieder einmal in die Zeit des 2. Weltkrieges. Wir lernen Tobias Lund kennen, der sich als Teil des Widerstandes gegen die deutschen Besatzer wehrt. Angeführt wird der verschwörerische Trupp von Daniel. Nach einem gescheiterten Attentat auf einen deutschen General regiert der Kommandant der Besatzungsmacht schnell. Er lässt 44 Einwohner in Geiselhaft nehmen – unabhängig von ihrem Stand und auch unabhängig von ihrem Verhalten während der Besatzungszeit. Seine Forderung ist klar: Entweder Daniel stellt sich oder alle Geiseln werden erschossen. Daniel, der bei dem Attentat selber verletzt wurde, erhält Besuch und Beratung von einem höheren Widerstandskämpfer. Sein befahl lautet: Stell Dich nicht. Lenz beschreibt, wie die Dorfbewohner mit dieser Forderung umgehen. Er zeigt, wie Teile Daniel zum Durchhalten ermutigen, andere ihn aber auch zwingen wollen aufzugeben. Ganz bewusst hat der deutsche Schriftsteller ein kleines norwegisches Dorf als Handlungsart gewählt. Abgeschieden und isoliert. Mit dem Riss, der durch ihre Stadtgemeinschaft geht, müssen die Bewohner selber fertig werden. Lenz nutzt diese Chance, um sich ausgiebig in Charakterstudien zu ergießen. Wie verhält sich der Mensch in Ausnahmesituationen? Immer noch etwas von großer Aktualität. Dass das nicht öde und langweilig wird liegt nicht zuletzt an dem unglaublichen spannenden Plot und daran, dass Lenz keine eindeutige Antwort gibt. Darüber hinaus lässt er uns nach der Kapitulation der Wehrmacht nicht aus seinem Griff. Er verfolgt die Geschehnisse in der Stadt weiter. Denn etwas so Ungeheuerliches macht was mit den Menschen, dass sich bis weit in die Zeit nach dem Krieg auswirkt. Lenz berichtet davon. Anspruchsvolle Literatur kann so spannend sein. Ich gebe zehn von zehn Partisanen.
berndhinrichs
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