„Typee“ von Hermann Melville. Ich hätte mir das Buch bestimmt nicht gekauft, wenn ich es nicht für ein Schnäppchen im Antiquariat um die Ecke gefunden hätte. Kurz reingelesen und festgelesen. Es ist das erste Werk des großartigen Autors, der uns viel später auf Walfang mitnimmt. Und geneigter Leser, sei gewarnt: Melville ist in diesem Frühwerk noch weit entfernt von seiner poetischen Sprache, die er in „Moby Dick“ hat. Dieses Buch ist einerseits ein Rätsel und andererseits überaus faszinierend. Ein Rätsel weil der Leser immer im Unklaren darüber sein wird, ob er nun gerade einen authentischen Reisebericht oder einen Romans liest. Und deshalb ist „Typee“ aus faszinierend, denn Melville hat das, was er in seinem Roman – und um nichts anderes handelt es sich – beschreibt, selbst erlebt. Wie seine Romanfigur türmt er von einem Walfangschiff. Die Inseln der fälschlicherweise titulierten Südsee haben es ihn angetan, denn statt Tran, Entbehrungen und strenger Männergesellschaft an Bord, dürstet es Melville und seinem Bordkameraden nach Hula-Hup, Palmen, schönen Mädchen und festem Boden unter den Füßen. Nur wie seine Romanhelden landen sie in einem Kannibalendorf auf Nuku Hiva und werden dort von den Typee gefangengehaltene. Der Roman schildert im Wesentlichen das Leben indigenen Volkes, seine Gesellschaft, seine Religion, seine Lebensverhältnisse und seinen Alltag. Melville zeichnet sich hier vor allem dadurch aus, dass er nicht spart mit Kritik am Missionsgedanken der beiden großen christlichen Kirchen. Vor allem diese Passagen waren es, die er für seine ersten Ausgaben aus dem Manuskript streichen musste. Im Mare Verlag erscheint eine ungekürzte Ausgabe nach dem Originalmanuskript. „Typee“ ist ein Roman. Melville hat sich bei seinen eigenen Erfahrungen und vielen zeitgenössischen Reisebeschreibungen bedient. Dennoch ist er es auch nicht, denn viel passiert nicht in seinem Buch. Muss es auch gar nicht, den spannend und lehrreich ist es auch so. Ich gebe acht von zehn Marquesas.
berndhinrichs
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