Durchgelesen und mit kaputten Teenagern abgehangen – Teil 73
- berndhinrichs
- 2. Juli 2023
- 2 Min. Lesezeit

Der neue Roman von Bret Easton Ellis „The Shards“ ist kaum zu fassen. 730 Seiten präsentiert uns der amerikanische Autor ein Sittengemälde, einen Coming-of-Age-Roman und einen knallharten Thriller um einen Serienkiller. Das ergibt keinen Sinn? Finde ich auch. Aber es ist ein fesselnder Roman – auch auf den Seiten, auf denen mal nicht gemetzelt wird. Dabei spielt der Autor von Beginn an mit seinem Leser, denn er lässt als Hauptperson sein eigenes Ich auftreten: Bret Ellis im Jahr 1981. Bret ist 17, lebt in L.A. und stinkreich. So wie seine Freunde. Ihr Leben besteht aus Drogen, Schule, Sex und Party. Doch ihr Leben bekommt Risse. Da ist der neue Mitschüler, der in einer Psychiatrie eingesessen hat, eine apokalyptische Sekte, die in der Umgebung der Stadt negativ von sich reden macht und ein Serienkiller, der unter den Teenagern der Stadt wütet. Im Mittelpunkt steht Bret, der zwar mit einem Mädchen zusammen ist, dessen Homosexualität immer mehr zutage tritt – ein Skandal im Land des frisch gewählten Ronald Reagan. Bret spürt den Druck auf sich. Er flüchtet in Drogen und hat heimliche Affären mit Mitschülern und älteren Herren. Die Kunst des Romans besteht darin, dass Ellis über lange Passagen den Alltag der Kids beschreibt, ohne dass es für den Leser langweilig wird. Er setzt immer wieder Spitzen. Unerwartet. Schockierend mitunter. Denn trotz aller Beschreibung des Lebens der Teenager, trotz aller Konfliktschilderungen von Bret: Der Roman ist von Bret Easton Ellis – und das bedeutet Skandal. Die geschilderte Sexualität (vielleicht nicht so krass, wie bei seinem „American Psycho“) oder auch die Beschreibungen der Menschen- und Tierleichen verlangen dem Leser etwas ab. Die stärke hat der Roman aber in seiner Unvorhersehbarkeit. Der Leser weiß nie, wer im Zentrum steht, welche Rolle die einzelnen Personen spielen. Für mich ein Lesegenuss – ein Pageturner. Deshalb gebe ich acht von zehn Lines.
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