Der achte Roman von Siegfried Lenz – „Das Vorbild“ – erscheint mir auch als einer seiner anstrengendsten. Worum geht es: Dr. Rita Süßfeldt, Lektorin, Studienrat Jan Peter Heller und Valentin Pundt, pensionierter Rektor, kommen im trostlosen November in einer noch trostloseren Hamburger Pension zusammen, um das Kapitel „Lebensbilder – Vorbilder“ eines neuen Schullesebuch abschließend zu besprechen. Die drei finden sich zur finalen Textauswahl zusammen. Zeitlich ist der Roman angesiedelt Ende der 1960er-Jahre, in denen alte Vorbilder gerade über Bord geworfen wurden und der Begriff „Vorbild“ generell zur Prüfung ansteht. Aber damit nicht genug, haben alle drei auch noch privat ihr Päckchen zu tragen: Heller lebt in Trennung von seiner Frau, die der Meinung ist, dass er sich viel zu sehr an die Jugend anbiedert. Er kämpft um sie, er fleht, aber nicht aus Liebe, eher aus verletztem Stolz. Süßfeldt lebt mit ihrer Schwester und einem hochsensiblen Cousin zusammen, der sie seit Jahren liebt und Pundt hat den Selbstmord seines Sohnes zu verkraften und nutzt die Zeit in Hamburg, um auf Spurensuche zu gehen. Es ergebe sich viele Interpretationsansätze und in der Rezeption heißt es auch, dass es möglicherweise zu viele sind. Lent wollte vielleicht zu viel, schließlich ist der Roman nach der geheiligter „Deutschstunde“ erschienen. Ein intelligenter Kopf sagte mir jüngst: Solche Romane taugen nur was, wenn sie auch auf unsere Zeit übertrag sind. Ist „Das Vorbild“ ein solcher Roman? Ich denke ja. Denn in einer immer aufgeregteren Zeit sind Vor(Leit-)bilder vielleicht nötiger denn ja. Trotz einiger Längen gebe ich aus voller Überzeugung acht von zehn Regentag.
berndhinrichs
Comments