Er ist das Enfant Terrible der Literaturszene der 1980er-Jahre. Er wurde von Marcel Reich-Ranicki beim Wettbewerb zum Bachmann-Preis 1984 mit den Worten „Sie gehören hier nicht hin!“ abgekanzelt. Gleichzeitig ließ er kein gutes Haar an den großen Autoren Nachkriegsdeutschlands: Literatur, die seiner Meinung nach „hochgeschrieben“ wurden. Die Rede ist von Jörg Fauser – Schriftsteller, Journalist und ein Mann, der auf dem Grat lebte. Ein Intellektueller, so geheimnisvoll im Leben wie in seinem Tod 1987. Nachdem ich vor einiger Zeit schon einmal Das Schlangenmaul gelesen habe, war jetzt endlich mal Der Schneemann dran. Sein vermutlich bekanntestes Werk, verfilmt mit Marius Müller-Westernhagen.
Siegfried Blum, Ende dreißig und Lebenskünstler steht im Mittelpunkt des Romans. Fauser wirft uns direkt hinein in die skurrile Handlung. Blum auf Malta, versucht an den Pakistani Mr. Haq 500 Pornohefte zu verkaufen. Die werden ihm zwar kurz darauf gestohlen, allerdings kommt er stattdessen zu fünf Pfund Koks. Nun will Blum diese zu Geld machen, um sich seinen Traum zu erfüllen: eine Strandbar auf den Bahamas. Blum reist nach Deutschland. Kommt über München und Frankfurt nach Köln und dann weiter in die Niederlande und Belgien. Allein, er wird sein Koks nicht los. Dafür wird sein Leben bereichert um viele dubiose Menschen – allen voran die sinnliche Cora. Aber egal, was sich ihm auch an Problemen entgegensteht, Blum bleibt seiner Linie bis zum Schluss treu.
Die Kritik von Reich-Ranicki richtet sich im Wesentlichen gegen Fausers Sprache. Sie habe nichts mit Literatur zu tun und sei trivial. Es ist gut, dass der große MRR nicht mehr mitbekommen hat, was für ein Schund heutzutage zwischen zwei Buchdeckel gedruckt wird. Wüsste er es, er würde Fauser feiern. Heutzutage würde der Stil des geschmähten Schriftstellers vermutlich eher der Popart zugeordnet werden. Er ist schnörkellos und treibt zielgerichtet die Geschichte voran. Apropos Popart: Die wundervolle, leinengebundene Ausgabe der Büchergilde Gutenberg wurde von Jim Avignon illustriert.
Fauser arbeitet in seinen Text Zitate aus Film, Songs und der Werbung ein. Er weiß, was seine Leser erwarten und er liefert genau das – von daher entsprechen seine Romane einem gut gemachten Rocksong: Sie sind genauso provokant wie gerade noch erlaubt und liefern dabei den Sound, der von Ihnen erwartet wird. Obendrauf noch eine starke Prise abgedrehte Charaktere und obskurer Situationen. Fertig ist der Roman, der wie eine Achterbahnfahrt ist.
Wer deutschen Gauner-Komödien mag, die seit Mitte der 1990er-Jahre erfolgreich in den Kinos laufen, beispielsweise Bang Boom Bang, Lambock, Die Musterknaben und und und, der wird an dem Roman seine helle Freude haben. Allzu oft sah ich mich beim Lesen in eine dieser Handlungen versetzt – nur das Fausers Roman bereits 1981 erschien. Für mich ist Fauser keine hohe Literatur. Da bildet Der Schneemann keine Ausnahme. Aber es ist ein gut gemachter Roman, dessen Stil eine gewisse Einzigartigkeit aufweist. Er ist unterhaltend, was ja auch nicht das Schlechteste ist. Ich gebe acht von zehn Hackensacks.
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