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Durchgelesen und Thomas beim Werben zugeschaut – Teil 156

berndhinrichs



Wann meine Begeisterung für Thomas, Heinrich, Erika und Klaus sowie all die anderen Sprösslinge des Mann-Clans genau entstand, kann ich nicht mehr sagen. Fest steht nur, dass es zuerst die Texte des Zauberers waren, die mich in Entzücken versetzten – allen voran seine Novelle Tristan. Mit der 2001 erschienenen Doku-Fernsehserie Die Manns – Ein Jahrhundertroman begann ich mich auch für das Leben der Familie zu interessieren. Verantwortlich für die hoch gelobte Produktion war Heinrich Breloer. Und von eben diesem ist jetzt ein Roman erschienen über den jungen Thomas Mann: Ein tadelloses Glück. Ob der Text noch mehr zu bieten als ein einen schon unverschämt schlechten Buchtitel, der an die Liebesromane aus dem Bastei Lübbe Verlag erinnert?


Breloer erzählt uns in seinem bei der DVA verlegten Roman, wie Thomas als junger Mann seine spätere Frau Katia Pringsheim kennenlernte – er war da gerade einmal 28 Jahre alt. Zwar verschaffte ihm sein jüngstes Werk Die Buddenbrooks einiges ansehen, aber der große Erfolg ließ noch auf sich warten. Thomas Werben um Katia war stürmisch und schwärmerisch. In einer Zeit ohne Internet, ja fast ohne Telefon, sah das Umgarnen einer jungen Frau noch ganz anders aus. Zumal Katia zunächst alles andere als angetan von dem jungen Verliebten. Sie lässt ihn abblitzen. Ihre Eltern und ihr Bruder hingegen unterstützen offensiv Thomas: sie laden ihn zu Kaffee und Essen ein, besuchen ihn und geben Tipps. Thomas stürmisches Vorgehen überrascht ein wenig, wie Breloer sehr gekonnt herausstellt. Denn der Schriftsteller hatte sich bisher nur in homosexuelle Schwärmereien in seinen Tagebüchern verewigt. Diese Neigung durfte er aber in seiner Zeit nicht ausleben, sondern suchte stattdessen sein Heil in der Flucht nach vorne – in der Heirat mit Katia. Diese sollten ihm gesellschaftliches Ansehen und Freiheit bringen.


In seinem Roman, denn trotz der vielen Fakten, die Breloer in seinen Text einarbeitet, bleibt es ein Roman, stützt sich der Filmemacher hauptsächlich auf Briefwechsel und Tagebucheinträge. Im Vorwort legt er da, dass viele Dialoge in Ein tadelloses Glück wörtlich übernommen sind aus diesen privaten Dokumenten. Auf diese Weise entstand ein Bild nicht nur der komplizierten Beziehung zwischen Thomas und Katia, sondern ein lesenswertes Sittengemälde der Zeit.


Breloers Text, auch das muss erwähnt werden, ist keine schwierige Kost. Ihm geht es nicht darum, eine besonders anspruchsvolle Poesie zu verfassen. Wie in seinen Dokumentationen will er vornehmlich berichten, nicht schildern. Ein guter Lektor hätte ihm gegen Ende seines Romans noch ein oder zwei Kapitel gestrichen. Seine Geschichte von Katia und Thomas war auserzählt. Da hätte er einen Schnitt machen können. ohne noch einmal die homosexuelle Neigung von Thomas in aller epischen Breite darzustellen.


Aber sei´s drum. Unterm Strich ein unterhaltsamer Roman, der einige spannende Details zum Leben des Zauberers präsentiert. Für den Fachmann alles nicht neu, aber schön verpackt. Acht von zehn Fiorenzas.

 
 
 

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