
Als großer Fan der deutschen Hommage aus dem Weißblechverlag stehe ich natürlich auf die schrägen, trashigen Geschichten von Weird Science. Im Taschen Verlag ist nun ein voluminöser Band mit den ersten Ausgaben des klassischen Comic-Magazins erschienen – der Beginn einer Edition. Außerdem liebe ich großformatige, bibliophile Bände, und da enttäuscht der Taschen Verlag selten. Aber kann mich diese Sammlung wirklich fesseln, wo ich doch noch nie EC gelesen habe? Weird Science verspricht auf jeden Fall mehr als nur Unterhaltung. Es sind Geschichten, die eine ganze Epoche widerspiegeln und gesellschaftliche Fragen aufwerfen. In den 50er Jahren waren die Comics sogar so umstritten, dass sie verboten und öffentlich verbrannt wurden - eine Reaktion auf die moralischen Bedenken der Zeit. Vielleicht also genau das Richtige, um in die Ursprünge der Science-Fiction-Comics einzutauchen!
Die Entstehungsgeschichte dieses Comics beginnt mit Bill Gaines, der nach dem Tod seines Vaters, M.C. Gaines, das Ruder des EC-Verlags übernahm. Unter seiner Führung und mit Unterstützung des Autors und Herausgebers Al Feldstein entstand eine Reihe, die nicht nur auf literarische Einflüsse zurückgriff, sondern auch die drängenden Themen der Zeit aufgriff: technologische Überheblichkeit, die Schrecken des Kalten Krieges und die atomare Bedrohung. Die Erzählungen, die zwischen 1950 und 1953 erschienen, zeigen dabei nicht nur die typische Faszination für außerirdische Welten und Zukunftstechnologien, sondern auch eine tiefere Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, die in der Nachkriegszeit besonders brisant waren.
Die erste Ausgabe von „Weird Science“ erschien im Mai/Juni 1950 und bot eine Mischung aus Geschichten, die damals ungewöhnlich waren. Neben den typischen Abenteuern auf fremden Planeten fanden sich moralische Parabeln und Geschichten, die an den literarischen Traditionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts orientiert waren. Gaines und Feldstein kombinierten klassische Erzählstrukturen mit modernen technischen und wissenschaftlichen Fragen, was den Comics eine besondere Tiefe verlieh.
Die Autoren und Zeichner von „Weird Science“ bedienten sich häufig klassischer Motive der Literatur, die sie geschickt in eine futuristische, oft dystopische Umgebung übertrugen. Es waren nicht die typischen Science-Fiction-Helden wie Flash Gordon oder Buck Rogers, die hier im Mittelpunkt standen, sondern Figuren, die in der Konfrontation mit dem Unbekannten oft scheiterten oder zumindest tiefgreifende Erfahrungen machten. Diese Reflexionen über das Verhältnis von Mensch und Technik, von Fortschritt und moralischen Grenzen, waren in den 1950er Jahren vor dem Hintergrund des Wettrüstens und der beginnenden Raumfahrt besonders relevant.
Interessant ist auch der Wechsel der Farbgebung: In dieser Ausgabe sind häufig sowohl die originalen Schwarz-Weiß-Versionen als auch die später colorierten Fassungen enthalten. Das ermöglicht es den Lesern, die Unterschiede in der visuellen Wirkung nachzuvollziehen und die Geschichten in ihrem ursprünglichen künstlerischen Kontext zu erleben. So kommt das ganze Können der Zeichner zur Geltung. Aber anstatt die Kunstwerke neu zu kolorieren, entschied sich der Verlag dafür, für dieses Buch hochauflösende Fotografien jeder einzelnen Seite verwendet, so wie sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gedruckt wurde. Um Probleme mit dem billigen, unvollkommenen Druck der damaligen Zeit zu korrigieren, wurden Retuschetechniken eingesetzt. Das Ergebnis ist ein bibliophiles Buch, dem es aber gelingt, den Charakter und das Gefühl der klassischen Pulp-Comic-Magazine bewahrt.
Neben den elf Ausgaben enthält der erste Band auch eine 36-seitige Einführung, die die Entstehungsgeschichte von „Weird Science“ detailliert darlegt. Sie beschreibt, wie Bill Gaines und Al Feldstein die Ideen für ihre Geschichten entwickelten, welche literarischen Vorbilder sie inspirierten und wie sich die Serie im Verlauf der Jahre weiterentwickelte. Das wird garniert mit vielen Fotos aus der EC-Redaktion und immer wieder ganzseitige Panels, die die hohe Kunst der beteiligten Künstler einfängt. Ein abschließender Essay von Grant Geissman, einem renommierten Comic-Historiker, ordnet Weird Science in den Kontext der Comicgeschichte ein und erklärt, wie die Serie nicht nur die Science-Fiction-Literatur beeinflusste, sondern auch eine Rolle in den gesellschaftlichen Debatten jener Zeit spielte.
Weird Science Band 1 ist ein bemerkenswertes Werk, das weit über die reine Unterhaltung hinausgeht. Die Mischung aus künstlerischer Innovation, gesellschaftlicher Reflexion und moralischen Fragen macht diese Comics zu einem wichtigen Zeitdokument der 50er Jahre. Für Leser, die sich für die Anfänge der Science-Fiction-Comics und die kulturellen Strömungen jener Zeit interessieren, bietet dieser Band eine wertvolle und vielschichtige Lektüre. Anstelle von simplen Action-Szenarien finden sich hier tiefgründige Erzählungen, die den Leser zum Nachdenken anregen und zugleich ein spannendes Bild der technologischen und politischen Hoffnungen und Ängste jener Epoche zeichnen. Ich gebe 10 von 10 verrückten Wissenschaftlern.
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