©teNeues Verlag
Wer mit der Fähre von Kiel nach Oslo fährt kann vor allem die Einfahrt in den Oslo-Fjord genießen. Langsam gleitet man entlang einer schönen, spärlich besiedelten Küste. Wälder, die bis an die felsige Küste reichen. Kurz bevor das Schiff seinen Anlegeplatz erreicht, zieht rechts ein Gebäudeensemble bestehend aus zwei Häusern mit Spitzdächern, die bis zum Boden gehen, vorbei: das Fram Museum.
Seinen Namen hat das Museum von dem zentralen Ausstellungsstück: die Fram. Die Fram ist ein Schiff, das in Norwegen großer Berühmtheit erlangte, da es bei mehreren Polarexpeditionen von Fridtjof Nansen, Otto Sverdrup und nicht zuletzt auch Roald Amundsen in den Jahren zwischen 1893 und 1912 eingesetzt wurde. Im Museumsshop stieß ich auf die deutsche Veröffentlichung „Reise ans Ende der Welt – Fridtjof Nansen legendäre Polarexpedition“ aus dem Verlag TeNeues. Auf rund 480 Seiten erfahren wir aus berufenem Mund – Herausgeber ist Geir O Kløver, Direktor des Fram-Museums – viele spannende Details aus der Forschungsreise des Norwegers.
5000 Seite Tagebücher
Die Stärke des Werkes liegt in der umfassenden Wiedergabe der Tagebücher der Teilnehmer der Nansen-Expedition. Fridtjof Nansen wollte 1893 beweisen, dass die Theorie der Eisdrift, also die großflächige Bewegung des Meereises, stimmt. Dafür entwickelte er den Plan sich im Eis einfrieren zu lassen und als Trittbrettfahrer mit dem Eis den Pol zu erreichen.
Rund 15 Jahre hat sich Kløver mit der Nansen-Expedition beschäftigt. Wir können seinem Instinkt bei der Auswahl von Originalfotos und Tagebucheinträgen durchaus vertrauen – und müssen es auch. Denn die Original-Tagebücher der Expedition, die in der Nationalbibliothek in Oslo aufbewahrt werden und mittlerweile in Norwegen auch veröffentlicht wurden, umfassen acht Bände mit rund 5000 Seiten. „Dieses Buch stellt gewissermaßen eine Kostprobe dar“, erläutert Kløver in der Einleitung.
Einer der großen Stärken des opulenten Buches ist die Textwiedergabe der originalen Tagebucheinträge und der Korrespondenz von Nansen und seiner Crew-Mitglieder. Wir bekommen einen direkten und ungefilterten Eindruck von den umfangreichen Vorbereitungen, vom Leben auf der Fram, vom Überlebenskampf im Eis. Diese Tagebucheinträge vermitteln einen sehr guten Eindruck, wie es an Bord zuging. Von den rein organisatorischen Dingen, bis hin zu persönlichen Animositäten. So beschwert sich beispielsweise am 28. Februar 1895 der erste Ingenieur Anton Amundsen, dass Nansen ist ein schwieriger Mann sei, weil er so kindisch sei. „Um unparteiisch zu sein: Ich persönlich habe keinen Grund zur Klage, aber es ist ermüdend, sich seine Äußerungen anzuhören und sich seine ganze Arbeit anzusehen.“ Arktishelden als empfindliche Mimosen? Eher nicht. Diese und viele ähnliche Tagebuchzitate legen Zeugnis von der Enge ab, in der die Männer über rund drei Jahre zusammenhockten.
Bilder sagen mehr….
Schon in seiner Danksagung spricht Kløver davon, dass das Werk der fotographischen Dokumentation gewidmet sei. Zu Recht. Denn etwa 450 Fotografien und Zeichnungen sind in dem bibliophilen Buch versammelt. Sowohl im Fram-Shop als auch bei TeNeues ist ebenfalls die englische Version des Buches zu haben, das mit rund 712 Seiten und 850 Fotographien nahezu doppelt so umfangreich ist. Ich würde aber nach einem direkten Vergleich in jedem Fall die deutsche Version empfehlen. Zwar gekürzt, ist sie vom Layout sehr viel ansprechender. Im Gegensatz zum Original lädt sie einfach zum Blättern ein. So habe ich das Buch entdeckt: Blätternd und hier und da immer wieder festlesend. Ein Genuss, der nicht geringer ist, wenn ein Besuch des Fram-Museums noch aussteht. Das soll heißen, dass sich die Lektüre auch lohnt, ohne in Oslo gewesen zu sein.
Kløver widmet den Fotographien das Buch, weil er genau um die Wirkung der Aufnahmen weiß. Mehr noch als die Tagebucheinträgen veranschaulichen sie die Entbehrungen und lassen die Männer der Nansen-Expedition vor unseren Augen zum Leben erwachen. Die Bilder der eingefrorenen Fram und ihrer Crew, wie sie ihren Alltag bestreiten und ihre Forschung betreiben, der Umgang mit ihren Hunden, die Enge in der Kabine, lassen erkennen, wie waghalsig das Unternehmen wirklich war – ein Himmelfahrtskommando.
Fazit
Der Besuch im Fram-Museum hat mich an den norwegischen Polarexpeditionen teilhaben lassen. „Reise ans Ende der Welt – Fridtjof Nansen legendäre Polarexpedition“ aus dem Verlag TeNeues hat mich wieder auf die Reise geschickt. Ich habe gebibbert vor Kälte, mitgestritten unter Deck und mitgestaunt über die Resultate der Forschung. Wer in die Gesichter der Männer der Nansen-Expedition blickt, mag einen Moment innehalten und sie genauer betrachten – es sind die Gesichter von Helden. Ich gebe zehn von zehn Presseiswälle.
Ich lese auch gerne Expeditionsbücher. Aber das wusste ich noch nicht: Roald Amundsens Enttäuschung des Lebens: "Ich wollte immer schon zum Nordpol und jetzt bin ich am Südpol.