„Jens? Max?“ leicht zur Frage angehoben bei der Aussprache. Zwei Wörter, zwei Satzzeichen. Ein einfacher friesischer Gruß, ohne viel Rumgesabbel, einfach den Vornamen genannt, wie es die Alten mitunter immer noch praktizieren. "Jens? Max?", dass sagt so viel über „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz aus. Die Geschichte des Polizisten in Nordfriesland, der das Malverbot an seinem Freund überwachen soll, stand zurecht jahrelang auf den Lehrplänen. Denn Lenz gibt uns nicht nur eine tiefsinnige Analyse des Begriffes Pflicht, sondern er liefert ein Psychogramm der Menschen hinterm Deich. „Jens? Max?“ Mehr bedarf es nicht. In seinem 1968 erschienenen Roman, den ich übrigens nach meiner Schulzeit das erste Mal wieder gelesen habe, schildert Lenz den Konflikt der beiden Freunde im fiktiven schleswig-holsteinischen Dorf Rugbüll. Seine Sprache, so nüchtern und unpathetisch sie auch ist, lässt uns mit den Füßen im Watt einsinken, den stürmischen Wind der Nordsee spüren sowie Salz und Jod auf der Lippen schmecken. Auf jeder Seite zaubert er uns Bilder in den Kopf. Das ist der Rahmen und in der Geschichte, die von falscher Pflichterfüllung, einer zerbrechenden Freundschaft und einer Kindheit hinterm Deich handelt, füllt der Schriftsteller diesen Rahmen mit Leben – authentisch und detailliert. Ich bedaure sehr, dass der großartige Roman vielerorts aus den Lehrplänen verschwunden ist. Er hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, denn er hat uns so viel zu sagen. Bei Siegfried Lenz habe ich mich die wunderschöne Hamburger Ausgabe seiner Werke entschieden. Von der auf 25 Bänden angelegten Edition liegen erst ein paar vor. Jeder Band mit schönem Satzspiegel und in Leinen gebunden. Es gibt da noch einiges an Schätzen zu heben. Ich gebe für „Deutschstunde“ Zehn von zehn Möwen.
berndhinrichs
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