
Die Verleihung des Deutschen Buchpreises 2024 wirkt nach. Zumindest bei mir. Der Skandal war perfekt inszeniert. Da echauffiert sich ein Autor, dass er einen der wichtigsten Literaturpreise nicht bekommt und verlässt wutschnaufend die Preisverleihung. Perfekt gemacht – sein finanzieller Schaden wird es nicht gewesen sein. Bleibt die Frage, mit welchem Recht er sich so aufregte. Mit Martina Hefters Roman Hey guten Morgen, wie geht es Dir? habe ich nach Clemens Meyer Die Projektoren und Markus Thielemann Von Norden rollt ein Donner den dritten Titel der auf sechs Bücher begrenzten Shortlist und die Gewinnerin des Preises gelesen. Ob er hält, was er verspricht?
Hefter erzählt die Geschichte der Aktionskünstlerin Juno, die sich um ihren schwerkranken Mann Jupiter kümmert. Abends sitzt sie vor ihrem Laptop, schaut sich Youtube-Videos an und schreibt mit Love-Scammern, das sind Männer, die mit gefälschten Profilen versuchen, Frauen Geld aus der Tasche zu ziehen. Mit einem schreibt sie öfter und sie verrät ihm, dass sie weiß, dass er ein Love-Scammer ist. Er nennt ihr seinen „richtigen“ Namen: Benu. Er kommt aus Nigeria. Während Juno eine falsche Identität angibt, scheint Benu sich ihr zu öffnen.
In der Begründung der Jury heißt es: „Auf faszinierende Weise verbindet der Roman zermürbenden Alltag mit mythologischen Figuren und kosmischen Dimensionen, er navigiert zwischen Melancholie und Euphorie, reflektiert über Vertrauen und Täuschung. Von all dem erzählt Martina Hefter in ihrem klug choreografierten Roman, der eine ganz eigene Anziehungskraft ausübt.“ Nun, um ganz ehrlich zu sein: davon habe ich bei Hefter nicht viel mitbekommen. Sie entwirft einen klugen Plot, der aber leider in ihrer Ausführung nicht seine ganze Kraft entfalten kann. Zwar kann die Autorin sprachlich einiges bieten, aber zum größten Teil bleiben die Charaktere schwach gezeichnet. Junos zermürbender Alltag blitzt immer mal wieder durch und ich hätte sehr gerne mehr davon erfahren. Dafür nimmt sich Hefter aber keine Zeit. Zeit nimmt sie sich stattdessen für ausschweifende Gedanken über Youtube-Video und Literatur über Nigeria.
Der Deutsche Buchpreis versteht sich nach offizieller Darstellung als Auszeichnung, um die Buchbegeisterung zu fördern und Aufmerksamkeit für das Medium Buch zu schaffen. In diesem Aspekt ist sich die Jury des Buchpreises treu geblieben. Denn Hey guten Morgen, wie geht es Dir? ist auch von einem breiten Lesepublikum zu verstehen und taugt zum Bestseller – anders sicherlich als der Roman von Clemens Meyer. Allerdings traue ich mich die Frage aufzuwerfen, ob das preisverdächtig ist? Muss ein Autor Masse ansprechen, um den Deutschen Buchpreis zu bekommen? Menschen, die lesen, könnte das die Lust verderben.
Was mir übrigens sehr gut gefallen hat, ist das Ende des Romans – und das ist in keiner Weise sarkastisch gemeint. Die letzten eineinhalb Seiten sind großartig und entschädigen etwas für die einschläfernde Tristesse der vorangegangenen knapp 220 Seiten. Von den drei Büchern der Shortlist 2024, die ich gelesen habe, definitiv das schlechteste. Ich bin daher geneigt, mich der kalkulierten Empörung eines Clemens Meyer anzuschließen. Ich gebe fünf von zehn Profilfotos.
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