Ich bin absolut kein Krimifan. Das mal vorweg. Außerdem halte ich gar nichts von diesen endlos Serien á la „Brunettis 78. Fall“ oder „Davis Hunter schnibbelt an der 39. Leiche rum“. Die Verlage haben in der Regel dann eine Cashcow zum Melken gefunden und die Leser folgen. Warum ich dennoch bei Mathijs Deen und seinem Kommissar Liewe Cupido, genannt der Holländer, gestrandet bin, lässt sich vermutlich nur mit einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus erklären, denn die Reihe spielt am und im deutsch-niederländischen Wattenmeer. Mit Der Retter geht Kommissar Cupido nun bereits in die dritte Runde.
Nach Der Holländer und Der Taucher nun also Der Retter. An einem Strand in England wir ein Skelett gefunden. Der in unmittelbarer Nähe liegende Rettungsring deutet auf den Seeschlepper Pollux hin, der vor 21 Jahren sank. Bei der Rettungsmission, an der ein niederländischer und ein deutscher Seenotretter beteiligt waren, ging etwas schief. Alle Besatzungsmitglieder konnten zwar in Sicherheit gebracht werden. Aber der deutsche Kapitän blieb verschollen. Über die Ereignisse gibt es dazu verschiedene Versionen. Wo fuhren die Seenotrettungskreuzer nach dem Einsatz hin? Was hat es mit einem Koffer auf sich? Und wer war für den Kapitän beim Rettungseinsatz verantwortlich? Cupido muss mit seinem neuen jungen Kollegen, Xander Rimbach, in die Ermittlungen einsteigen, die sie nach Norderney und Ameland führt. Sie tun dies eher halbherzig, denn Cupido versucht gleichzeitig das Schicksal seines Vaters zu klären, der während seiner Arbeit als Fischer über Bord ging und auf See geblieben ist – während ein völlig unerfahrener Kollege gerettet werden konnte. Und auch hier gibt es verschiedene Versionen des Geschehens. Nachdem aber Rimbach auf Norderney eine schwere Vergiftung erlitten hat, kommt das Duo in Fahrt.
Deen liefert mit seiner Reihe um den Holländer, seine ersten Krimiarbeit überhaupt, eine Auftragsarbeit ab. Das hat er im Literaturpodcast Eat Read Sleep geschildert. Die Ursprungsidee kam vom Mare-Verlag. Das muss nicht schlecht sein, würde aber erklären, warum ich beim Lesen immer das Gefühl hatte, dass sich der Autor nicht ganz wohl in seiner Haut fühlt. Vielleicht war es aber auch genau andersherum: Ich wusste, dass es eine Auftragsarbeit ist und das suggeriert schon, dass sie dem Autoren nicht wirklich ans Herz gewachsen ist.
Wie schon bei den Vorläufern ist Der Retter perfekte Unterhaltungsliteratur. In einem dialoglastigen Buch kann der Autor nur mit Stereotypen arbeiten. Jede Person bekommt ein paar Signalwörter zugeschrieben und den Rest kann sich der Leser denken. Wenn jemand brummt, statt spricht, ist klar: verschlossener Friese eben. Das ist mir zwar ein bisschen platt, aber es sorgt dafür, dass die Geschichte flott gelesen werden kann. Urlaubslektüre. Strandlektüre. Ein wenig mehr Tiefe bei den Randfiguren – ausgenommen ist natürlich der Protagonist – würde dem Roman guttun. Beispiel Irina, die Frau des Kapitäns der Pollux: Ich versuche mal nicht zu spoilern, aber ihr Lebenswandel wirft für mich eine ganze Reihe von Fragen auf, die Deen nicht klären kann.
Das klingt alles vielleicht negativer, als es gemeint ist und vermutlich sind das genau die Gründe, warum ich mit Krimi-Reihen nichts anfangen kann. Natürlich sind, bei allen Klischees, die Handlungsorte des Krimis ganz hervorragend gewählt – Wattenmeer, Nordsee, Ost- und Westfriesische Inseln. Aber Deen projiziert mir zu viel das, was die meisten Menschen mit Friesland assoziieren in seinen Roman. Das zeigt sich auch in den Rezensionen zum Buch im Feuilleton. Wenn es beispielsweise beim Deutschlandfunk Kultur heißt, dass Liewe Cupido „vermutlich der einsilbigste Ermittler der neueren Kriminalliteratur“ ist, ist mir das viel zu viel Klischee. Friesen haben einsilbig zu sein, so wie Rheinländer fröhlich.
Kurz vor Ende des Romans dämmert es dann so langsam dem Leser. Dies war zwar der dritte Fall des Holländers, aber sicherlich nicht sein letzter. Denn ganz am Schluss der Geschichte erfahren wir im Gespräch zwischen Cupido und seiner Freundin Miriam, dass der Ermittler auch noch eine Schwester hat: Paula, zu der er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Tor auf für einen weiteren Fall. Mal sehen, ob ich wieder dabei bin – wenn ich gerade Urlaub mache: vermutlich ja. Ich gebe sieben von zehn Vormänner.
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