Durchgelesen und zurückgekehrt – Teil 199
- berndhinrichs
 - vor 25 Minuten
 - 2 Min. Lesezeit
 

Eine Autorin mit Nachhall
Nach 22 Bahnen war klar, dass Caroline Wahl nicht einfach wieder im literarischen Schwimmbadgewühl verschwinden würde. Zu besonders der Roman, zu schillernd die Autorin. Mit Windstärke 17 hat sie einen Fortsetzungsroman vorgelegt, der erneut zeigt, wie geschickt sie Alltägliches mit Abgründigem verwebt. Für mich ist es die logische zweite Begegnung mit einer Autorin, die schon beim ersten Mal mehr ausgelöst hat, als ich erwartet hätte. Die Assistentin hatte ich vorher rezensiert aber erst nachher gelesen.
Idas Weg durch Schuld und Selbstsuche
Bei Windstärke 17 sind ein paar Jahre vergangen. Ida ist eine junge Frau, Tilda und Viktor haben zwei Kinder und wohnen in Hamburg. Als die alkoholkranke Mutter Suizid begeht, ist Ida von Schuldgefühlen geplagt, da sie sich in der Zeit mit einer Freundin in Prag aufhielt. Nach der Beerdigung, zu der sie nicht gehen konnte, muss sie aus ihrer Heimatstadt fliehen. Eigentlich wollte sie nach Hamburg zu Tilda, reist aber spontan weiter nach Rügen. Dort wird sie von Marianne und Knut aufgenommen, die sie in ihrem Zuhause willkommen heißen wie die eigene Tochter. Ida kann das Glück kaum genießen, und auch ihre Freundschaft zu Leif, einem Jungen der Insel, der als DJ Erfolge feiert, verläuft holprig und zäh. Immer wieder wird sie gedanklich von ihren Schuldgefühlen eingeholt. Als dann noch ein schwerer persönlicher Schicksalsschlag die kleine Gemeinschaft belastet, wird Ida erneut vor schwere innere Konflikte gestellt.
Zwischen Leichtigkeit und Schwere
Mittlerweile ist so viel über Caro Wahl geschrieben und gesagt worden, dass ich gar nicht weiß, ob mein Text hier noch wirklich benötigt wird. Wahl hat einen ganz eigenen Stil. Die Themen, die sie in ihrem Roman schildert, sind alles andere als leichte Kost: Schuld, Trauer, Versagensangst, Liebe und verletzte Gefühle. Es ist ihr großes Können, dass sie diese Themen mit einer Leichtigkeit behandelt, dass der Leser nie an der Schwere zu ersticken droht. Wer aber jetzt glaubt, dass die Autorin deshalb ins Seichte abgleitet, der irrt.
Empathie mit kleinen Brüchen
Ihre Charaktere sind sehr empathisch gezeichnet. Vielleicht einen Tick zu viel. Ab und zu wirken ihre Charaktere einfach zu gut, Marianne und Knut zu fürsorglich, Leif zu verständnisvoll. Aber auch hier gilt: Die Autorin lässt den Leser in einer weichen angenehmen Hängematte, ohne ihn einzulullen. Denn diese Wohlfühlbeschreibungen werden immer wieder kurzzeitig durchbrochen von der brutalen Realität – wie etwa auf dem Trip von Ida und Leif nach Hamburg, wo sie glaubt, einen ganz anderen Menschen vor sich zu haben.
Ein Roman, der nachhallt
Windstärke 17 hat mir gut gefallen – genauso wie 22 Bahnen und Die Assistentin. Das Buch wirkt nicht wie eine gekünstelte Fortsetzung eines Erfolges. Beim Lesen wird klar, dass ich nicht unbedingt zur Kernzielgruppe ihrer Texte gehöre, umso größer ist die Leistung, dass er auch mich zu fesseln vermag. Das Buch taugt dazu, völlig neue Leserschaften zu erschließen. Zehn von zehn aufgebackene Brötchen.



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