Der Abenteuerroman ist in der Literaturgeschichte eine ganz eigene Gattung. Gerne wird er abgetan als Trivialliteratur, die ausschließlich Unterhaltungswert hat – was ja auch nicht verurteilungswürdig wäre, wenn er denn intelligent geschrieben und fesselnd aufgebaut ist. Beispiele dafür gibt es genügend: die Romane von Jules Verne, die Romane von Joseph Conrad, beispielsweise „Lord Jim“, „Der Niemand von der Narcissus“ oder „Schattenlinie“, oder auch „Das Totenschiff“ von B. Traven. Alles spannende Abenteuerromane, die mehr bieten als bloße Unterhaltung.
Die prägendste Formel, die ich neulich dazu gehört habe, lautet: „Meist sind Abenteuerromane Bücher, die von Männern, für Männer geschrieben wurden“. Gerne lass ich mich hier eines Besseren belehren. Also: Kennt Ihr Abenteuerromane, die von Frauen geschrieben wurden? Ich freue mich über eine kurze Nachricht. Vielleicht ist die „Männerdefinition“ etwas kurz gegriffen aber nicht ohne Wahrheit. Zielgruppe sind wohl meistens Männer und das ist bei „Die wirklich wahren Abenteuer und außergewöhnlichen Lehrjahre des Teufelskerls Daniel Bones“ von Owen Booth aus dem Mareverlag auch so. Ich würde sagen, Booth hat einen Männerroman geschrieben.
Erzählt wird die Geschichte von Daniel Bones, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts im südenglischen Marschland von seinem Vater großgezogen wird. Seine Mutter ist vor Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden. Er und sein Bruder werden von ihrem saufenden Vater schikaniert und verprügelt. Das Leben von Daniel ändert sich schlagartig, als eines Tages Captain Clarke B aus den Fluten der Nordsee steigt. Er trägt einen besonderen Anzug, den man heute wohl am ehesten als Neoprenanzug bezeichnen würde, und der wie ein kleines Ruderboot funktioniert. Mit diesem und einem Paddel bewaffnet reist er kurz und quer durch Europa. Überall da, wo er an Land geht, sorgt seine Erscheinung für viel Aufmerksamkeit. So auch im Dorf von Daniel, der nicht ganz freiwillig zum Assistenten des Captains wird. So begibt er sich mit ihm zusammen auf eine Reise, die ihn durch Frankreich, Belgien, an den deutschen Rhein und bis nach Italien führt.
Booth hat für seine Abenteuergeschichte eine reale Person als Vorbild gewählt: Paul Boyton: Der etwa 1848 geborene und 1924 gestorbene Boyton, bekannt als der furchtlose Froschmann, war ein Schausteller und Abenteurer, der das weltweite Interesse am Wassersport, insbesondere am Schwimmen im offenen Wasser, geweckt hat. Boyton ist vor allem für seine Wasserstunts bekannt, die die Welt faszinierten. Darunter die Überquerung des Ärmelkanals in einem neuartigen Gummianzug, der ähnlich wie ein Kajak funktionierte und die auch im Roman thematisiert wird.
Booth baut seinen Roman aus 376 rasante Seiten mit rund 80 Kapitel auf – das sorgt für einen großen Page-Turn-Effekt. Denn die kurzen Kapitel, in der Regel nicht mehr als vier Seiten, führen dazu, dass der Leser immer mehr und mehr will. Nebenbei: Diese kurze, ich nenn es mal Stakkatoerzählweise, eignet sich bestens zum Vorlesen. Jedes Kapitel endet mit einem mehr oder weniger spannenden Cliffhanger. Damit stellt sich Bones in eine Reihe mit den großen Autoren der Abenteuerliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts. Hier war es durchaus üblich seine Geschichten vorab in Zeitschriften als Fortsetzungsgeschichte zu veröffentlichen. Umso notweniger war es deshalb von Kapitel zu Kapitel einen Spannungsbogen aufzubauen, denn die Leser sollten ja ungeduldig die Fortsetzung erwarten, um die neue Ausgabe der Zeitung zu kaufen. Booth entpuppt sich als ein Könner dieser Technik.
Unterm Strich bietet „Die wirklich wahren Abenteuer und außergewöhnlichen Lehrjahre des Teufelskerls Daniel Bones“ hochvergnügliche Unterhaltung, intelligent konzipiert. Der Autor hat damit eine Geschichte vorgelegt, die man landläufig einen Schmöker nennen würde. Ich gebe zehn von zehn Froschmänner.
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